Linktipp: Wann kommen die Fortschritte Chinas endlich am Aktienmarkt an? (institutional-money.com)

Der chinesische Aktienmarkt kommt trotz des enormen Wirtschaftswachstums seit Jahren nicht wieder in Schwung. Liegt das wirklich am fehlenden Fokus auf den Shareholder Value und an niedrigen Dividenden?

Die konkreten Auslöser für einen Stimmungsumschwung an den Börsen sind fast immer einzelne Ereignisse – trotzdem werden aber die großen Trends meist durch eher weiche Faktoren bestimmt. Ich glaube nicht, dass Kapitalrenditen und Ausschüttungen für den chinesischen Bärenmarkt die entscheidende Ursache sind.

Auch nicht die zahlreichen dunklen Wolken, die es ja zweifellos gibt: enorme kommunale Verschuldung, Korruption in unterschiedlichster Form, die Endlichkeit des quantitativen Wachstumsmodells, die Umweltbelastung usw.

Ich bin sicher, dass der wichtigste Einzelfaktor für das fehlende Vertrauen in die Nachhaltigkeit des chinesischen Wirtschaftsmodells im Management zu suchen ist. Die Zahl der sichtbaren fähigen Führungspersönlichkeiten steht in keinem Verhältnis zum Bedarf.

Das liegt sicher zum Teil an der Kommunikation und dem zurückhaltenden Umgang dieser Leute mit den Medien. Es liegt aber auch daran, dass es tatsächlich viel zu wenige gibt. Und die Mischung aus beidem, mit der ohnehin verbreiteten Intransparenz, verhindert Vertrauen und Enthusiasmus an der Börse.

Zum Artikel auf institutional-money.com

Linktipp: Sieg bei Pisa – China produziert Elite wie am Fließband (n-tv, Marcel Grzanna)

Ein kluger Artikel, sehr lesenswert! Die chinesischen Pisa-Erfolge stehen für vieles: Beim Blick von Deutschland nach China gibt es Anlass weder zu Hochmut noch zu Minderwertigkeitskomplexen.

Wie in vielen Lebensbereichen haben die Chinesen große und beeindruckende Zahlen zu bieten – bei der Umweltverschmutzung und beim Wegsperren politischer Gefangener ebenso wie beim wirtschaftlichen Wachstum und der Armutsbekämpfung. Das liegt an der Größe des Landes und der Vielzahl der Menschen, aber auch an der Radikalität, mit der die Regierung versucht, die Kontrolle zu behalten und ihre Strategien durchzusetzen.

In der Tat ist die große Frage, wie mit dieser Mischung aus Leistungsdrill und Beschränkung der geistigen Freiheit die enorme Zahl an fähigen Führungsfiguren hervorgebracht werden soll, die das Land in den nächsten Jahren brauchen wird. Die chinesischen Superschüler können ja nicht alle anschließend noch im Ausland studieren, um zu lernen, auch ohne ständigen Druck von außen eigenmotiviert und selbstständig zu arbeiten.

Zum Artikel von Marcel Grzanna

Sind die deutschen Autohersteller von China abhängig?

Natürlich bestehen Abhängigkeiten – aber sie bestehen gegenseitig! Für die großen deutschen Hersteller wäre ein Ausfall des chinesischen Marktes ein Fiasko. Aber für die chinesische Wirtschaft ist das Automobilgeschäft von ebenso zentraler Bedeutung.

Beide Seiten können nicht aussteigen, sondern nur – wie beim Schachspiel – versuchen, ihre jeweilige Position etwas zu verbessern. Ich sehe nicht, was an dieser gegenseitigen Abhängigkeit falsch oder ungesund sein soll, wenn die Unternehmen die bestehenden Risiken seriös abschätzen und beobachten.

Natürlich wäre eine Wirtschaftskrise in China existenzgefährdend für viele deutsche Zulieferer und wahrscheinlich sogar manche Hersteller – aber das gilt auch für eine tiefe Wirtschaftskrise in der westlichen Welt! Hätte die letzte zweimal solange gedauert und hätte nicht insbesondere  die chinesische Nachfrage anschließend einen sehr schnellen und steilen Aufschwung bewirkt – deutsche Unternehmen wären zu Hunderten in der Insolvenz gelandet.

Bedrohung durch lokale Wettbewerber

Wirklich interessant ist: warum kommen die chinesischen Hersteller nicht voran und was kann man daraus lernen? Die Automobilindustrie ist eine interessante Fallstudie, wenn es um China geht. Im chinesischen Automarkt war das erste Volkswagen Joint Venture in den achtziger Jahren fast ein Monopolist. Später konnten die heimischen Hersteller etwas Boden gut machen und gleichzeitig musste Volkswagen den – allerdings rasant wachsenden – Markt mit anderen internationalen Herstellern und ihren Joint Ventures teilen.

Jetzt haben die heimischen Hersteller in China seit Jahren wieder rückläufige Marktanteile und liegen alle zusammen noch nicht einmal bei 25 %. Dass das der chinesischen Regierung nicht gefallen kann, ist klar; erfolgreiche Industriepolitik sieht anders aus. Dass sich das Mitleid des Westens in Grenzen hält, ist ebenso klar: Erstens profitieren wir kräftig und zweitens ist das chinesische Regime im Westen herzlich unpopulär.

Als Grund wird oft die starke Markenorientierung der Chinesen genannt. Die spielt sicher eine Rolle. Aber man kann bei anderen imageträchtigen Produkten – etwa Smartphones – sehen, dass leistungsfähige lokale Wettbewerber absolut ihren Markt finden, wenn sie attraktive Produkte preiswert anbieten können.

Es ist einfach den lokalen chinesischen Autoherstellern bisher nicht gelungen, ein Preis-Leistung-Verhältnis anzubieten, das wirklich attraktiv ist – und das liegt nicht am Preis!

Unternehmensführung

Die Chinesen sind nicht gut in der Beherrschung der Kernprozesse in Produktentstehung und Vermarktung. Letztlich geht es um die Qualität der Unternehmensführung! Die chinesische Industrie ist groß, alle Zahlen sind es auch, aber das Leistungsniveau ist bei vielen Faktoren weit vom westlichen Wettbewerb entfernt. Besonders beim Thema Management sind viele chinesische Unternehmen noch lange nicht auf internationalen Top-Standard.

In einer Kultur, die leitende Positionen  traditionell nach kompetenzfremden Kriterien vergibt, kann ein wirklich erstklassiges Ergebnis nur durch Zufall entstehen. Ohne die besten leitenden Ingenieure, Projektleiter und Topmanager entstehen einfach nicht ständig neue Produkte auf höchstem Niveau.

Wenn die Toppositionen in der Motorenentwicklung von mittelmäßigen Leuten besetzt sind, weil diese parteiloyal sind oder die richtigen Freunde haben, gibt es keine erstklassigen Motoren, ganz einfach!

Diese Logik wird in der Welt der Elektrofahrzeuge ebenso gelten wie bei herkömmlichen Verbrennungsfahrzeugen.

Die Hoffnung der chinesischen Regierung, hier schneller zur Spitze vordringen zu können, weil quasi alle bei null starten, wird sich als Illusion erweisen. Der Vorsprung der internationalen Firmen in puncto Methoden und Prozesse wird sich bei den Elektrofahrzeugen ähnlich auswirken wie bei der herkömmlichen Technologie.

Qualität des Führungspersonals

Die internationalen Hersteller haben beim Thema Human Resources die Nase weit vorn – bei der Ausbildung, vor allem aber bei der Auswahl!

Die Produkte der internationalen Wettbewerber werden meist allenfalls teilweise in China entwickelt. Wo tatsächlich Neu- oder Anpassungsentwicklung lokalisiert sind, wird meist auch noch westliches Know-how gebraucht. In den Produktions- und Qualitätsprozessen  setzen die großen Marken seit Jahrzehnten auf heimisches Wissen und entsandtes Personal.

Die chinesischen Manager sind nicht dümmer als die im Westen; im Gegenteil gibt es – insbesondere unter den im Ausland ausgebildeten Sinodirektoren- sehr gute und kluge Leute, besonders in den technischen Berufen. Diese Menschen haben auch das richtige Verständnis für Abläufe und kontinuierliche Verbesserungsprozesse – aber diese Qualitäten sind in China einfach noch zu selten gefragt.

Deshalb sind Staatsunternehmen wenig attraktiv für angestellte Unternehmer. Die Beförderungspolitik folgt allen möglichen Kriterien, von denen fachliches Können nur eine ist – das ist kein Klima, in dem gutes Management gedeiht.

In privaten und Joint-Venture-Unternehmen ist das oft etwas besser mit der Betonung auf „etwas“. Generell sind internationale Unternehmen für gute chinesische Mitarbeiter meist attraktiver – obwohl die Bezahlung oft gar nicht mehr besser ist. Aber auch die deutschen Joint Ventures tun sich sehr schwer, eine Beförderungs- und Führungskultur auf internationalem Top-Niveau zu entwickeln. Die chinesischen Partner im Joint Venture sind meist die Entscheider oder zumindest  Mitentscheider in Personalfragen und haben ihre eigenen Kriterien zur Vergabe interessanter Führungspositionen.

Ergebnis

Wirkliche Gefahr würde also in absehbarer Zeit nur von einem chinesischen Unternehmen drohen, dem es gelänge, sich aus dem traditionellen Umgang mit Führungspersonal zu befreien; wenn es BYD, Qoros, Volvo oder einem anderen gelänge, eine attraktive Unternehmenskultur zu entwickeln, die konsequent nach Verdienst und Kompetenz entscheidet, wäre der Weg immer noch weit: aber das wäre Anlass, sich wirklich Sorgen zu machen!

Bis dahin mag die Regierung den Unternehmen hier und da das Leben schwer machen und die rein chinesischen Hersteller protegieren. Ein wirklich tiefer Eingriff wir nicht erfolgen, dazu ist das Autogeschäft längst viel zu groß.

Ich bin sicher, dass der Kampf um die Vorherrschaft im chinesischen Automarkt auf mittlere und längere Sicht über das Personal entschieden wird: Wer für die besten Chinesen – Fachleute, Führungskräfte und Topmanager – attraktiver ist und wer sich erfolgreicher um sie bemüht, wird am Ende gewinnen. Sie sind die knappste Ressource in diesem Spiel, aber ihre Bedeutung wird von vielen unterschätzt.

Den internationalen Unternehmen möchte man raten, die guten Zeiten zu nutzen und intensiv an der Verbesserung ihrer Managementstrukturen zu arbeiten – auch wenn es noch so mühsam ist!

 

(Kommentar zu einem aktuellen Artikel, in dem sich das Manager Magazin in seiner jüngsten Ausgabe um die Zukunft der deutschen Autobauer in China sorgt.)

Interview mit Sinodirektor Dr. Jun Ren

Herr Ren hat acht Jahre in Deutschland gearbeitet, seit vier Jahren arbeitet er nun für ein deutsches Unternehmen in China. In seiner Funktion übernimmt er die Verantwortung für den chinesischen Markt. Dadurch hat er sowohl mit privaten als auch mit staatlichen Unternehmen zusammengearbeitet und ein breites Spektrum an Erfahrungen gesammelt.

Deutschland und China unterscheiden sich in sehr vielen Aspekten. Welcher dieser Unterschiede ist ihrer Meinung nach am stärksten ausgeprägt?

Deutschland ist ein entwickeltes Land und hat eine sehr reife Gesellschaft. Unabhängig davon was man tut, ist alles geregelt und jeder hält sich daran. Im Vergleich dazu ist China noch stärker in einem Entwicklungsprozess. Die Menschen leben in einer Grauzone zwischen Gesetz und sozialen Konventionen.

Das führt dazu, dass die Regierung große Projekte in Auftrag gibt, ohne genau zu wissen, wie man die Ziele erreichen soll. Dieser hohe Grad an Flexibilität steht dem Fortschritt sehr oft im Weg.

Sie haben sowohl Erfahrungen mit deutschen Unternehmen als auch chinesischen Staatsunternehmen als Kunden. In welcher Hinsicht unterscheiden sich diese Unternehmen Ihrer Erfahrung nach?

Ich möchte diese Frage durch ein Beispiel indirekt beantworten.

Wenn ein deutscher Kunde hinsichtlich eines bestimmten Produktes bei uns anfragt, wird dieser sehr genau sagen, was für ein Produkt er benötigt. Er wird konkrete Daten oder Aufgaben benennen können.

Ein chinesischer Kunde, der ebenfalls nach einem bestimmten Produkt fragt, wird dagegen sagen, dass er das beste Produkt möchte und das dieses auch günstig sein soll, d.h. für Chinesen sind Preis, Bekanntheit und  Beliebtheit der Marke deutlich wichtiger für die Kaufentscheidung als die Produkteigenschaften, die bei Deutschen meist im Vordergrund stehen.

In der Hoffnung, sich die Schlüsseltechnologien  anzueignen, arbeiten Chinesische Staatsbetriebe mit deutschen Unternehmen zusammen. Die Chinesen haben dieses Ziel nicht erreicht, was glauben Sie, sind die Gründe dafür?

Ja, sie arbeiten zusammen, aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Die Erwartungen der Chinesen haben sich nicht erfüllt. Obwohl es sich um gemeinsame Projekte handelt, behalten ausländische Unternehmen das essenzielle Wissen, an dem die Chinesen interessiert sind, meistens unter Verschluss.

Auf der einen Seite ist es durchaus nachvollziehbar, dass es im Interesse der ausländischen Unternehmen liegt, dieses Wissen für sich zu behalten; aber auf der anderen Seite waren die Menschen in den Staatsbetrieben auch nicht sonderlich motiviert, von den ausländischen Partnern dazu zu lernen.

Die Verantwortlichen in hohen Positionen sind vielleicht ambitioniert, jedoch versickert diese Ambition mit jeder Ebene immer mehr, so dass im Endeffekt nur sehr wenig davon übrig bleibt. Dadurch ist der Staatsbetrieb benachteiligt.

Würden Sie für einen Staatsbetrieb arbeiten, der die ideale Stelle für Sie zur Verfügung stellt?

Nein. Aber es liegt nicht an den Staatsbetrieben selbst. Die Betriebe sind Reflektionen der Probleme und Defizite der Gesellschaft. Der Prozess von einer „primitiven“ zu einer zivilisierten Gesellschaft findet immer noch statt.

Würde Sie von sich behaupten, als Chinese der beide Kulturen kennengelernt hat, dass Sie einen Punkt erreicht haben wo Sie sich in beiden Kulturen wohl fühlen?

Ich habe meine eigene Art damit umzugehen. Um mich vollständig in die chinesische Gesellschaft einzugliedern, muss ich sehr viel von dem, was ich in Deutschland gelernt habe, hinter mir lassen.

Ich habe in Deutschland einen zwischenmenschlichen Umgang kennengelernt, der in China keinen Platz hat. Diesen Preis muss ich hier zahlen. Aus diesem Grund wende ich mich bewusst von vielen Dingen ab, die gegen meine persönlichen Prinzipien verstoßen.

Die deutsche und die traditionelle chinesische Kultur, nicht die moderne Kultur, haben viele Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer grundlegenden Überzeugungen. Dennoch unterscheidet sich die Art und Weise wie wir leben sehr.

Deshalb fällt es mir schwer, mich in die deutsche Kultur zu integrieren. Ich lebe zwischen zwei Welten.

Wie fühlt es sich an, keiner dieser Kulturen vollständig anzugehören?

Ich kann nur sagen,  es fühlt sich normal an, weil ich mein Dasein akzeptiert habe.

Verhalten sich alle bi-kulturellen Chinesen, die Sie kennen, ebenso?

Es kommt darauf an. Menschen, deren Umgebung sie dazu zwingt, sich aktiv an dem Geschehen um sie herum zu beteiligen, werden sich integrieren. Meine Situation erlaubt es mir zu wählen und deswegen habe ich mich dazu entschlossen, zwischen den Welten zu stehen.

Fällt es Ihnen leichter mit deutschen oder chinesischen Kollegen zu arbeiten?

Mit meinen deutschen Kollegen und Vorgesetzten gestaltet sich die gemeinsame Arbeit am einfachsten. Sie sind viel sachlicher als meine chinesischen Kollegen. Wir können sehr energische Diskussionen bis hin zum Streit führen, ohne dass dies irgendwelche Folgen für unsere weitere Zusammenarbeit hat.

Mit Chinesen ist dies viel komplizierter, ein Streit kann hier wirklich negative Konsequenzen nach sich ziehen.

Ich habe bereits viele Chinesen gefragt, ob sie stolz sind Chinese zu sein. Einige empfinden diese Frage als unangenehm und versuchen, ihr auszuweichen oder sie antworten nur indirekt. Was steckt ihrer Meinung nach dahinter und wie würden Sie diese Frage beantworten?

Nur eine selbstsichere Person wird sich den Tatsachen wirklich stellen und sich auch selbst kritisch sehen. Nur eine selbstsichere Gesellschaft kann auch Kritik von außerhalb ertragen.

Auch meine Einstellung hierzu ist zwiespältig. Als Chinese bin ich zuversichtlich und stolz auf unsere Kultur, Geschichte, Philosophie, Literatur und Kunst.

Allerdings müssen wir uns auch eingestehen, dass die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zum großen Teil nicht positiv verlief. Wenn dies doch eine anerkannte Tatsache ist, warum können wir dies nicht direkt benennen?

Sind Sie optimistisch bezüglich Chinas Zukunft?

Chinas derzeitige Situation wird von vielen Seiten aus regelrecht überhöht dargestellt. Aus meiner Sicht ist China von seiner Blütezeit immer noch weit entfernt.

Ich denke Chinas Gesellschaft ist nach einer Zeit der übermäßigen Fixierung auf finanzielle Aspekte nun in einer Phase der Leere angekommen, da sie (unter Mao) die Verbindungen zu vielen althergebrachten Traditionen und Gebräuchen durchtrennt hat.

Mehr und mehr Chinesen suchen inzwischen ihr Heil in spirituellen Ideen, wie Religionen, Glaubenslehren oder auch traditioneller chinesischer Kultur. Die Regierung hat eine gewisse Kontrolle über diese Vorgänge, kann den Trend jedoch nicht stoppen.

Sind Sie denn religiös? Glauben Sie an eine Religion?

Ich bin nicht religiös, habe jedoch die Bibel und auch einige buddhistische Schriften gelesen. Der Buddhismus erscheint den meisten Chinesen recht verständlich, ist aber auch strikt und strukturiert hinsichtlich der Glaubenslehre.

Problematisch an der Bibel ist, dass es hier einfach zu viele verschiedene Geschichten gibt, so dass Chinesen diese kaum alles verstehen oder glauben können.

Die größte Hürde für mich ist, dass ich viel arbeiten muss und sehr beschäftigt bin, so dass ich eigentlich gar keine Zeit habe, um mich damit wirklich intensiv zu beschäftigen.

Beabsichtigen Sie den Rest ihres Lebens in China zu verbringen?

Nein, ich werde mit Sicherheit nach Deutschland zurückkehren.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name “Jun Ren” wurde von der Redaktion geändert.

Interview mit Wirtschaftsingenieurin Lin Müller

Lin Müller ist eine chinesische Wirtschaftsingenieurin, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt, sich persönlich und beruflich umfassend integriert hat und ihre Karriere ambitioniert verfolgt. Sie ist eine qualifizierte Einkaufsleiterin mit internationaler Projektverantwortung, die ihre Ziele freundlich, aber konsequent verfolgt. Dabei ist Sie als Führungskraft sehr geschätzt. Sie hat sich mit viel Einsatz und Persönlichkeit sowie mit Präsentationskompetenz und guter Organisation auch im deutschen Umfeld stets erfolgreich die Anerkennung ihrer Kollegen und Vorgesetzten erarbeitet. Als sie vor kurzem Mutter wurde, stand sie vor einer neuen Herausforderung: Familienleben und Karriere unter einen Hut zu bekommen.

Aufgrund welcher Umstände sind Sie vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen?

Es war keine spontane Entscheidung von mir. Ich habe es im Voraus geplant. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich für einen staatlichen Maschinenimporteur gearbeitet und war dort im Bereich Werkzeugmaschinen tätig. Das Unternehmen importierte zu einem großen Teil aus Deutschland, da die deutschen Unternehmen marktführend waren.

Aufgrund der intensiven Zusammenarbeit und dem Kontakt mit Deutschen entwickelte sich nach und nach ein Interesse meinerseits für das Land. Daraus resultierte mein Wunsch, dort eine Zeit lang zu leben.

Schließlich kam ich als Au-pair, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele Möglichkeiten gab, nach Deutschland zu kommen.

Welche Auswirkung hatte diese Entscheidung auf den Rest Ihres Lebens?

Ich bin zufrieden, wie sich meine Lebenssituation über die Jahre entwickelt hat und mit dem, was ich beruflich erreicht habe, seit ich hier her gekommen bin.

Darüber hinaus ist mein Lebensstandard jetzt wesentlich höher als früher.

Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre in China, kann ich natürlich nicht wissen, ob meine Lebensumstände nicht genauso gut, wenn nicht sogar besser wären, wenn ich dort geblieben wäre.

Was war Ihre erste Reaktion als Sie erfahren haben, dass Sie schwanger sind? Haben Sie als erstes an Ihre Karriere gedacht?

Es war ein aufregender Tag. Vormittags habe ich erfahren, dass ich schwanger bin und nachmittags, dass ich zur Leiterin des Einkaufs befördert werde.

Mein erster Gedanke war, dass es Schicksal ist. Ich war vollkommen überzeugt davon, dass ich beides verbinden kann.

Natürlich war es mir bewusst, dass es in der Praxis schwierig wird und ich auf beiden Seiten Kompromisse schließen werden muss. Wenn ich z.B. nur fünf Stunden am Tag mit meinem Kind verbringen kann, werde ich diese Zeit viel intensiver mit ihm nutzen müssen.

Vor der Geburt Ihres Kindes waren Sie eine erfolgreiche Karrierefrau. Seit der Geburt Ihres Kindes haben sich Ihre Prioritäten, bezüglich Karriere und Familie wahrscheinlich verändert. Wie sieht Ihre Gewichtung heute aus?

Lassen Sie mich die Frage anders formulieren. Sie meinen wohl eher Karriere oder Kind? Als mein Mann und ich noch zu zweit waren, hatte jeder von uns mehr Entscheidungsfreiheit. Natürlich steht mein Kind nun an erster Stelle, was meine Prioritäten angeht, jedoch klappt es gut, Karriere und Kind unter einen Hut zu bringen.

Müsste ich mein Familienleben, insbesondere die Zeit mit meinem Kind, dafür drastisch einschränken, würde ich meine Karriere hinten anstellen.

In Deutschland ist es üblich nach der Geburt ein bis zwei Jahre zu Hause zu bleiben, um Zeit mit dem Kind zu verbringen.
Ich denke, das ist ein typisch deutsches Phänomen. Viele deutsche Mütter haben das Gefühl, wichtige Zeit, die sie mit ihrem Kind verbringen sollten, zu opfern, wenn sie direkt nach der Geburt arbeiten gehen.

In der chinesischen Kultur ist es jedoch normal, schnell die Arbeit wieder aufzunehmen. Die meisten meiner chinesischen Freundinnen, die hier in Deutschland sind, leben genauso.

Ich kenne eher wenige chinesische Frauen, die für längere Zeit zu Hause bleiben wollen. Die Kinder sind dann meistens bei den Großeltern oder in der KiTa. Ich bin der Meinung, dass die Betreuung zu Hause nicht die einzige Art und Weise ist, dem Kind seine Liebe zu zeigen.

Was ist Ihre Art, Ihrem Kind Liebe zu zeigen?

Meiner Meinung nach ist Liebe, dem Kind eine richtige Erziehung zu geben; dies beinhaltet auch, ihm von Anfang an die richtige Lebenseinstellung und eine gute Bildung mit auf den Weg zu geben.

Wahrscheinlich liegt es an meinem chinesischen Hintergrund, dass Bildung und Erziehung für mich so eine große Rolle spielen. Sehr gute schulische Leistungen sind natürlich wichtig, haben für mich in der Erziehung aber nicht die höchste Priorität. Selbstverständlich möchte ich, dass mein Kind glücklich ist. Ich werde immer versuchen, ihm die Sicherheit zu geben, die es braucht.

Aber das Leben ist nicht immer heiter und fröhlich und wir Eltern werden nicht immer da sein können. Deshalb ist es mir wichtig, meinem Kind beizubringen, dass das Leben auch mal Zeiten der Trauer und des Schmerzes beinhaltet und man für manche Dinge hart kämpfen muss.

Um in der Lage zu sein, das zu verstehen und umsetzen zu können, muss es lernen selbständig zu sein.

Sind Sie wie andere „typische“ chinesischen Eltern und erwarten überdurchschnittlich viel von ihrem Kind?

Glücklicherweise wächst mein Kind in Deutschland auf und hat die Möglichkeit, eine „wahre“ Kindheit zu erleben. In China stehen Kinder unter großem Druck, schon so früh wie möglich, so viel wie möglich zu lernen. Bereits im Vorschulalter werden ihnen Dinge wie Englisch oder Mathematik beigebracht.

Weil es so viele Menschen – also auch „Konkurrenten“ – in China gibt, muss man immer besser sein als die anderen, um eine gute Zukunft zu haben, sofern man keine reichen Eltern hat.

Ich möchte, dass mein Kind China und die chinesische Kultur kennt und weiß, woher seine Mutter stammt. Es soll chinesisch sprechen, lesen und schreiben lernen, auch wenn es nicht einfach sein wird, ihm dies ohne die entsprechende sprachliche Umgebung beizubringen.

Ihr Mann ist Deutscher, Sie sind Chinesin. Was ist der größte kulturelle Unterschied zwischen Ihnen und Ihrem Mann?

Ich würde sagen, unsere Art zu denken. Obwohl mein Mann 1 ½ Jahre in China gearbeitet hat, sehr vertraut ist mit der chinesischen Kultur und immer offen ist, neue Kulturen kennenzulernen, sind unsere Denkweisen an manchen Stellen doch sehr verschieden.

Ich glaube, dass ich mittlerweile eine ziemlich deutsche Denkweise habe, aber manchmal ist es einfach nicht nötig, nach Perfektionismus zu streben.

Im Gegensatz zu den Deutschen sind Chinesen sehr pragmatisch veranlagt. Schnell finden sie eine kurzfristige Lösung für ein spezielles Problem. Deutsche hingegen versuchen meistens, eine endgültige und generelle Lösung zu finden, deshalb dauert es häufig etwas länger.

Hatten Sie in Deutschland jemals Schwierigkeiten, sich anzupassen?

Nicht wirklich. Als ich nach Deutschland kam, war ich sehr entschlossen, mich an die deutsche Kultur anzupassen und meine Karriere zu verfolgen. Ich war von Beginn an sehr offen für die Kultur, sodass ich diesbezüglich keine negativen Erfahrungen gemacht habe; denn wie man in den Wald ruft, so schallt es auch zurück.

Ich habe selten daran gedacht, wie es in meiner Kultur wäre; im Gegenteil, ich habe immer versucht, die deutsche Kultur zu verstehen.

Ab welchem Zeitpunkt haben Sie angefangen, zu denken, dass Sie ohne Probleme in Deutschland zurechtkommen?

Nach zwei Jahren. Bevor ich gekommen bin, musste ich mir Geld zusammensparen, um meinen Aufenthalt zu finanzieren. Ich wollte meine Eltern nicht nach dem Geld fragen, da sie nicht so viel verdienten, um mich in dieser Hinsicht zu unterstützen.

Mein erstes halbes Jahr in Deutschland war sehr schwer, weil ich keinen Studentenjob finden konnte. Zu diesem Zeitpunkt war es ausländischen Studenten gesetzlich nicht erlaubt, mehr als 90 Tage im Jahr zu arbeiten, sodass ich in diesen 90 Tagen so viel Geld wie möglich verdienen musste, um meinen Unterhalt für den Rest des Jahres zu sichern.

Es war beängstigend, zu sehen wie der Betrag auf meinem Konto immer kleiner wurde. Zuerst habe ich erfolglos versucht, in chinesischen Restaurants zu arbeiten.

Drei Monate später habe ich es mit Hilfe des Dekans meiner Universität geschafft, ein Unternehmen zu finden, in dem ich als normale Werkstudentin arbeiten konnte. Zwei Jahre später wurde mir die Möglichkeit geboten, ein Praktikum in diesem Unternehmen zu machen, da meine Vorgesetzten einen sehr guten Eindruck von mir hatten. Ich verdiente 1.400 € im Monat.

Zum selben Zeitpunkt führte die Universität ein Stipendium für ausländische Studenten mit sehr guten Noten ein, sodass ich zusätzlich 700 € bekam. Ich war wirklich sehr glücklich, dass mein Lebensunterhalt schließlich gesichert war und ich sogar noch Geld hatte, mir einmal im Jahr ein Flugticket in meine Heimat zu kaufen.

Es ist nicht einfach als Ausländer Karriere in Deutschland zu machen. Wie war Ihre Erfahrung?

Das Gute an Deutschland ist, dass die Entwicklung einer Karriere von Kompetenz und nicht von sozialen Kontakten und „Vitamin B“ abhängt.

Abgesehen davon, dass ich eine Ausländerin bin, arbeite ich in einer Branche, in der die Kollegen überwiegend männlich sind. Aus diesem Grund musste ich mehr leisten und Kraft aufwenden als manch anderer. Besonders im ersten halben Jahr in der neuen Position habe ich sehr hart gearbeitet, um von meinen Kollegen akzeptiert zu werden.

Als sie jedoch erkannt haben, dass meine Leistung wesentlich besser ist als die vieler anderer, haben sie mich nicht nur als ihre Kollegin akzeptiert, sondern auch als Führungsperson eines reinen Männerteams respektiert.

Sie sind eine Frau mit viel Courage. Woher kommt diese Stärke?

So bin ich einfach. So haben meine Eltern es mir beigebracht. Auch in meinen schwersten Momenten habe ich mir gedacht: „Wenn jemand anderes das schaffen kann, kann ich das auch. Aber auch wenn niemand anderes es schaffen kann, kann ich es trotzdem.“.

Ich erinnere mich daran, was meine Mutter einmal gesagt hat: „Wenn du noch nicht mal wagst, davon zu träumen, wirst du es erst recht nicht erreichen.“.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name “Lin Müller” wurde von der Redaktion geändert

Interview mit Asien Business Manager Han Zou

Han Zou ist Anfang 30, verheiratet. Sie ist seit rund zehn Jahren in Deutschland, hat in China und Deutschland studiert und arbeitet derzeit für ein deutsches mittelständisches Unternehmen der Maschinenbauindustrie im Bereich Vertrieb und Geschäftsentwicklung als Asien Business Manager. Hauptaufgabe ist der Auf- und Ausbau der asiatischen Niederlassungen.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied im Denken und Handeln von Deutschen und Chinesen?

Grundsätzlich beachten die Deutschen viel mehr die Regeln als die Chinesen. Die Chinesen sind zielorientierter und flexibler. In China stehen die Leute unter stärkerem sozialem Druck und Gruppenzwang als in Deutschland.

Die Chinesen legen mehr Wert auf Ausbildung. Die Deutschen legen hingegen mehr Wert auf Individualität.

Nachdem Sie hier seit zehn Jahren leben, was ist aus Ihrer Sicht der markanteste Unterschied zwischen den beiden Lebensarten?

Deutschland ist ein sehr schönes und grünes Land. Man achtet sehr auf die Umwelt. Bezüglich des Lebenstils kann man sagen, dass die Deutschen sehr naturverbunden sind. Auch werden abends die Städte deutlich ruhiger als dies in China der Fall ist.

Bezüglich der Verbindung zwischen den Menschen ist das „Guanxi“ in China im Vergleich zum deutschen „Vitamin B“ deutlich weiter verbreitet und entwickelt und die menschliche Beziehung ist oft wichtiger als fachliche Details. Wenn man in China „Guanxi“ (Verbindungen, Kontakte) hat, dann ist alles viel einfacher.

Verfolgt man eine Vertriebskarriere in China, wird man dort nahezu jeden Abend mit Kunden unterwegs sein, beispielsweise mit ihnen Essen gehen oder auch mal eine Karaoke-Bar besuchen, um von diesen Aufträge zu bekommen. Häufig kommen Vertriebsleute in China spät nach Hause. In Deutschland geschieht dies alles viel maßvoller.

Was wären Ihrer Meinung nach interessante Kandidaten für deutsche Unternehmen, die in China aktiv werden möchten?

Deutsche Unternehmen müssen für ihre Chinaaktivitäten vor allem Leute finden, die den chinesischen Markt, die Wünsche der Kunden, die Größe des gesamten Marktes und die Chancen, wie groß “das Stück vom Kuchen“ für das Unternehmen werden kann etc., verstehen.

Für den Anfang brauchen dieses Unternehmen einen starken und kompetenten Kandidaten, der die relevanten Informationen aus vielen Kanälen sammeln kann.

Mit den falschen Kandidaten riskiert man schon zu Beginn seinen Ruf zu schädigen, was das Unternehmen vielleicht niemals mehr kompensieren kann.

Sollte diese Person aus Ihrer Sicht ein Deutscher oder ein Chinese sein?

Am besten wäre ein Chinese, der den lokalen Markt kennt. Sofern das Unternehmen keinen passenden chinesischen Kandidaten findet, wäre natürlich auch ein deutscher Kandidat möglich. Dessen Verantwortlichkeit für das gesamte China-Geschäft wäre aber ein Risiko für das Unternehmen.

Allerdings kann auch ein Chinese der lange Jahre in Deutschland gelebt hat nicht perfekt geeignet sein, da er die aktuellen Marktverhältnisse im heutigen China nicht mehr so gut kennt. Dann braucht er mehr Anlaufzeit.

Allgemein würde ich sagen, dass ausländische Unternehmen zum Erkunden eines neuen Marktes auf jeden Fall einen lokalen Kandidaten benötigen. Für den chinesischen Markt haben Chinesen, die sowohl den deutschen, als auch den chinesischen Markt kennen, echte Vorteile.

Einige deutsche Unternehmen sagen jedoch, dass man für den Markteintritt in China nicht unbedingt Chinesen benötigt hätte bzw. sie klagen, dass auch diese mitunter nicht den erhofften Erfolg gebracht haben.

Ich denke, dass diese Unternehmen schlicht nicht den richtigen Chinesen gefunden haben. Der Idealkandidat versteht sowohl den lokalen Markt als auch die relevante Industrie. Einen Chinesen einzustellen, der diese Anforderungen nicht vollständig erfüllt, ist damit ein Risiko.

Welche Kriterien sind Ihrer Meinung nach zu berücksichtigen wenn ein deutsches Unternehmen den richtigen Kandidaten finden will?

Zunächst einmal muss das Studium bzw. die fachliche Qualifikation stimmen. Ebenso muss natürlich die Fähigkeit vorhanden sein, den neuen Markt zu sondieren und einzuschätzen. Zuletzt sind die entsprechenden kommunikativen Fähigkeiten und der gewinnende Umgang in Fragen der PR und mit behördlichen Fragestellungen von hoher Relevanz.

Die meisten Unternehmen benötigen in der Anfangsphase zur Marktsondierung einen Kandidaten mit starkem Vertriebscharakter und keinen reinen Controller oder Ingenieur.

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund warum Chinesen in China öfter den Job wechseln als dies Chinesen in Deutschland tun? Sind Erstere weniger loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber?

Es gibt sicherlich viele Gründe, ich sehe jedoch keine direkte Verbindung zur Loyalität eines Arbeitnehmers.

Tatsächlich ist es so, dass viele Chinesen, die bei einem deutschen Unternehmen anfangen, mitunter sehr lange dort arbeiten. Dies liegt einerseits daran, dass es für Chinesen hier nicht so viele bessere Angebote gibt als beispielsweise in China. Sofern ein Angebot nicht deutlich besser ist, entscheiden sich viele dafür zunächst weiter im aktuellen Unternehmen zu bleiben und abzuwarten.

Andererseits liegt es aber auch am Charakter der Chinesen hier. Viele mögen einen sehr sicheren und stabilen Lebensstil und suchen nicht ständig neue Herausforderungen. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Chinesen die hier jüngere Kinder haben, dann nicht mehr so flexibel hinsichtlich eines Jobwechsels sind und wegen den Schulverpflichtungen der Kinder ungern die Stadt oder die Region wechseln.

Fühlen Sie sich in Deutschland zu Hause?

Ja, dieses Gefühl habe ich inzwischen. Ich fühle mich diesem Land durchaus zugehörig.

Haben Sie in Ihrem Freundeskreis mehr deutsche oder mehr chinesische Freunde?

Das ist fast ausgeglichen. Wenn ich eine Party am Wochenende veranstalte, sind das meist zwei Abende. Einer für meine deutschen Freunde und einer für meine chinesischen Freunde.

Warum nicht zusammen?

Sie gehören zu verschiedenen Freundeskreisen.

Mögen Sie die lokale Küche?

Ja ich mag sie durchaus. Meinem Gefühl nach wird hier viel Fleisch gegessen und das entspricht sehr meinen persönlichen Essensvorlieben.

Ich esse täglich in der Kantine unseres Unternehmens zu Mittag. Das ist nicht hundertprozentig nach meinem Geschmack, aber alles in allem doch sehr akzeptabel.

Viele Chinesen entscheiden sich dafür, sich nicht in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Wie sehen Sie das?

Ich denke, dass ist nicht gut. Wenn man in diesem Land lebt, sollte man auch versuchen seine Kultur und seinen Lebensstil zu übernehmen. Ob man das dann mag ist eine andere Sache, aber man sollte es zumindest versucht haben.

Ich kenne einige Leute aus China, die von ihrem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt wurden oder hier auf Geschäftsreise sind. Ihre Einstellung ist nicht sehr offen gegenüber anderen Kulturen und sie bevorzugen es in ihren chinesischen Freundeskreisen zu bleiben. Sie versuchen nicht einmal richtig die deutsche Kultur kennen zu lernen.

Warum sind Sie so offen? Hatte irgendjemand oder irgendetwas einen besonderen Einfluss auf Sie?

Mein Charakter ist schlicht sehr extravertiert, ich mag es sehr neue Dinge auszuprobieren und mit Menschen in Kontakt zu kommen.

Das liegt wohl auch daran, dass ich in meiner bisherigen Karriere im Bereich Vertrieb viele Menschen kennengelernt habe, die ebenfalls sehr extravertiert und offen sind. Dies hat natürlich auch meinen Charakter geformt.

Würde man mich in eine Entwicklungsabteilung stecken, wäre das kaum die richtige Entscheidung.

Verfolgen Sie die aktuellen Diskussionen und Themen in den deutschen Medien?

Das mache ich natürlich nicht in dem Maße wie dies die Einheimischen tun, d.h.  größere Themen verfolge ich auch, aber nicht jede kleine lokale Neuigkeit. Da mein Mann auch Chinese ist behalten wir einige chinesische Lebensansichten bei, so dass wir uns nicht vollständig anpassen werden.

Was wird von Deutschland bleiben bzw. was würden Sie vermissen wenn Sie vielleicht eines Tages wieder nach China gehen?

Deutschland ist sehr schön. Die Leute in meiner Umgebung sind sehr nett, freundlich zu Ausländern und sie respektieren mich als Person. Ich lebe hier seit zehn Jahren und habe hier einige gute Freunde gefunden. Wenn ich nach China zurück gehe würde ich diese sicherlich sehr vermissen.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Han Zou“ wurde von der Redaktion geändert

Interview mit Diplom-BWLer Tao Qiu

Tao Qiu ist 45 Jahre alt und kommt aus Nord-China. Er lebt und arbeitet seit etwa 15 Jahren in Deutschland. Studiert hat Tao Qiu in China und in Deutschland Betriebswirtschaftslehre. Angestellt ist er derzeit in der Marketing-Abteilung eines deutschen Unternehmens. Im Interview mit Wei Fischer schildert Tao Qiu seine Eindrücke von dem „single-nation-country“ Deutschland und den Schwierigkeiten der Integration.

Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?

Ich wollte ins Ausland gehen, um eine komplett andere Kultur kennen zu lernen. Deutschland hat eine ganz spezielle Kultur, die viele Dichter, Philosophen und Künstler hervor gebracht hat, so dass ich mir dieses Land gerne ansehen wollte.

Haben Sie sich in den rund fünfzehn Jahren, die Sie nun hier sind, sehr verändert?

Menschen entwickeln sich stets weiter. Nur der Weg, wie Sie sich weiter entwickeln, ist unterschiedlich und abhängig davon, wo Sie sich gerade befinden.

In Deutschland habe ich sowohl meine Fachkenntnisse erworben, als auch viel von der hiesigen Kultur und der Lebensart erfahren, so dass ich nun eine viel breitere Perspektive habe, als wenn ich in China geblieben wäre.

Dieser Lernprozess hat natürlich auch meinen Charakter geformt. Man könnte sagen, dass ich nun zwei Charaktere entwickelt habe. Die deutsche Seite ist direkt und ehrlich. Die chinesische Seite ist eher zurückhaltend und indirekt. Je nachdem mit wem ich rede, dominiert eine dieser Seiten die andere.

Mussten Sie sich, nach dem Sie so viele Jahre in Deutschland verbracht hatten, bei der Rückkehr nach China erst wieder an das dortige Leben anpassen?

Als ich zum ersten Mal, nachdem ich acht oder neun Jahre in Deutschland war, wieder nach China ging, habe ich fast ein halbes Jahr gebraucht, um mich wieder an die chinesische Art zu gewöhnen. Ich hatte die deutsche Art schon zu sehr verinnerlicht.

Inzwischen bin ich im Wechsel der beiden Umgangsweisen gut trainiert, so dass jede für mich eine natürliche Ergänzung der anderen Seite darstellt.

Wie bewerten Sie die Entwicklung Chinas in den letzten Dekaden?

Alles hat zwei Seiten, auch die Entwicklung Chinas. Im Allgemeinen ist sie positiv zu sehen. Der Lebensstandard der Chinesen ist im Vergleich zu früheren Zeiten gestiegen, jedoch ist die Verteilung des Wohlstandes sehr ungleich geworden.

Andere Aspekte wie die Umweltverschmutzung oder Lebensmittelsicherheit sind aber auch sehr besorgniserregend.

Die chinesische Kultur hat sich sehr stark verändert in den letzten Dekaden. Wie stehen Sie zu diesen Veränderungen?

China hat einen erschütternden Wandel erlebt, den stärksten in seiner bisherigen Geschichte. Im Vergleich mit der traditionellen chinesischen Kultur fehlen der modernen chinesischen Kultur viele Aspekte der konfuzianischen Sittenlehre; beispielsweise Sitten und Werte, die moralische Fragen regeln.

Die Kultur verändert sich, weil dieser Wandel von außerhalb erzwungen wird. Manchmal ist der Wandel friedlich, manchmal eher revolutionär und gewalttätig.

Aufgrund des Drucks der Außenwelt bin ich davon überzeugt, dass Anpassungen notwendig sind, wobei ich zugeben muss, dass nicht alle Veränderungen richtig sind.

Welche Chinesen bleiben, Ihrem Eindruck nach, nach ihrem Studium in Deutschland?

Oh, das habe ich nicht wirklich analysiert. Aber meiner Einschätzung nach sind es eher Frauen als Männer. Natürlich gibt es dafür viele Gründe.

Zu den wichtigsten Gründen zählt, dass auf Männern einer höherer gesellschaftliche Druck lastet, eine erfolgreiche Karriere anzustreben.

Für Ausländer ist es häufig schwieriger, hier in Deutschland Karriere zu machen als in ihrem Heimatland.

Ebenso sind Frauen wählerischer bezüglich der Umweltbedingungen und hierbei schneidet Deutschland eindeutig besser ab als China.

Was unterscheidet ihre Generation von den Generationen davor, vornehmlich denen die zuvor nach Deutschland gekommen sind?

Viele aus diesen vorherigen Generationen kamen vornehmlich als Flüchtlinge nach Deutschland. Viele dieser Menschen haben dann beispielsweise ein chinesisches Restaurant hier eröffnet.

Der Großteil meiner Generation kam hingegen zum Studium nach Deutschland. Einige haben ihren Abschluss geschafft, andere haben ihr Studium aufgegeben. Letztere arbeiten nun oft im Bereich Handel, im Bereich Beratung oder in einer Reiseagentur.

Ich habe mein Studium bis zum Diplom fortgesetzt, da mir dies durch mein soziales Umfeld und meine Erziehung stark eingeprägt wurde.

Ist es für Chinesen schwer, sich in Deutschland zu integrieren?

Ja, es ist durchaus recht schwer. Zunächst ist da vor allem der riesige kulturelle Unterschied. Es gibt unzählige Differenzen, beispielsweise beim Essen, beim allgemeinen Umgang, der Denkweise, dem Verhalten und natürlich auch der Sprache im Ganzen.

Sich zu integrieren ist keine reine Frage der Zeit, sondern vielmehr des persönlichen Willens und Anspruches. Einigen Chinesen in Deutschland fehlt es am starken Willen sich zu integrieren.

Typischerweise ist die Entscheidung, Integration zu suchen eine sehr wichtige und weitreichende, da Integration auch stets bedeutet, dass bisherige Lebenserfahrungen in der anderen Kultur nicht mehr von Relevanz sind. Dies bedeutet auch, dass ein Teil der eigenen Persönlichkeit im Laufe dieses Prozesses verloren geht bzw. sich entsprechend des neuen kulturellen Umfeldes ändert.

Integration ist folglich eine zweiseitige Angelegenheit. Auf der einen Seite muss der Ausländer den Willen haben, sich zu integrieren. Andererseits muss die deutsche Gesellschaft jedoch auch offener werden und Integrationswillige wirklich akzeptieren und aufnehmen.

Deutschland ist ein „single-nation country“, d.h. ein von einer Kultur geprägtes Land, während in den USA, als eine durch viele Migranten geprägte Nation, der „Multikulti-Gedanke“ viel stärker von jedermann akzeptiert ist. Das Nebeneinander vieler Kulturen ist dort deutlicher ins Allgemeinbewusstsein übergegangen.

In Deutschland ist das anders. Als integrationswilliger Ausländer muss man die deutsche Kultur vollständig aufnehmen, um wirklich akzeptiert und integriert zu werden.

Vom Aussehen her werden Sie von Deutschen stets als Ausländer erkannt. Fühlen Sie sich deswegen unwohl?

Wenn man sein ganzes Leben hier bleiben will und dann jeden Tag als Ausländer empfunden wird, fühlt man sich wohl schon recht unwohl.

Aber mich kümmert das nicht, da ich schon von Anfang an geplant hatte, wieder nach China zurückzugehen, auch da meine Eltern dort leben.

Mein ursprünglicher Plan bestand folglich darin, hier zu studieren, einige Jahre Berufserfahrung zu sammeln und dann nach China zurück zu gehen.

Ihre Eltern sind einer der Hauptgründe, nach China zurück zu gehen?

Ja, da ich das einzige Kind meiner Eltern bin. Sie werden langsam alt und wenn ich nicht zurück gehe, wird sich eines Tages niemand um sie kümmern können.

Fühlen Sie sich stolz ein Chinese zu sein?

Jemand kann stolz auf die Kultur oder die Menschen eines Landes sein. Die Hochzeit der chinesischen Kultur ist seit Hunderten von Jahren vorüber; Kriege und Revolutionen, aber auch die mangelnde Erhaltung der Kultur haben dazu beigetragen, dass der Kern chinesischer Kultur zunehmend verloren ging.

China entwickelt sich im Moment noch, das gesellschaftliche Wertesystem und die soziale Gerechtigkeit sind jedoch noch nicht zufriedenstellend ausgeformt.

Es gibt zudem so viele Menschen in China, trotzdem kann ich nur wenigen davon wirklich vertrauen. Ich habe kein starkes Verbundenheitsgefühl mit diesen Menschen. Ich kann daher nicht sagen, dass ich sonderlich stolz bin.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Tao Qiu“ wurde von der Redaktion geändert

Interview mit dem Wissenschaftler Manfred Wang

Manfred Wang ist Mitte 30 und kommt aus Nordchina. Er lebt seit mehr als 10 Jahren in Deutschland. Studiert hat Ingenieurswissenschaften – sowohl in China als auch in Deutschland. Er ist verheiratet und arbeitet für ein renommiertes Forschungsinstitut. Im Interview mit Wei Fischer erzählt er unter anderem, wie er sich als Chinese in Deutschland fühlt.

Warum sind Sie nach Ihrem Bachelor Abschluss nach Deutschland gekommen?

Am Anfang war mir nicht ganz klar, wohin ich nach dem Studium gehen sollte. Wie die Hälfte der Studenten der Tsinghua Universität (die beste technische Universität in China, Anm. d. Red.) habe ich auch TOEFL (Test of English as a Foreign Language) gemacht, mit dem Ziel ins Ausland zu gehen.

Ich stand nicht unter Druck, aufgrund meiner akademischen Leistungen hätte ich auch ohne Aufnahmeprüfung meinen Master oder Phd an der Tsinghua Universität machen können. Durch Zufall begann in diesem Jahr die Kooperation meiner Universität mit der RWTH Aachen. Daraufhin habe ich mich beworben und bin auch angenommen worden.

Wenn das Austauschprogramm mit einem anderen europäischen Land gewesen wäre, wären Sie dann auch gegangen oder hätten Sie Deutschland in jedem Falle präferiert?

Ich hatte bereits einen Bezug zu Deutschland, da ich ein Jahr Deutsch gelernt hatte. Insofern hat es mich schon gereizt auch nach Deutschland zu gehen.

Darüber hinaus lag mein Studienschwerpunkt im Bereich Maschinenbau. Da ist Deutschland natürlich aufgrund seiner Ingenieurstradition sehr interessant für mich und außerdem waren früher Fachbücher über Maschinenbau in China auf Deutsch. Daher reizte mich auch die Sprache.

Bevor Sie nach Deutschland kamen, welches Bild hatten Sie von diesem Land?

Natürlich hielt ich die hochentwickelte Technik für charakteristisch. Auch hatte ich den Eindruck, dass Deutschland in der europäischen Geschichte, d.h. auch vor und nach den beiden Weltkriegen immer eine zentrale Rolle gespielt hat.

Außerdem bin ich der Meinung, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und China immer ein freundschaftliches war.

Im Allgemeinen hatte ich also eine hohe Meinung von Deutschland als ich hierher kam.

Können Sie mir bitte ein Beispiel für einen Kulturschock, den Sie hier erlebt haben, geben?

Es gab eine Situation ganz zu Anfang, die sich mir stark eingeprägt hat. Damals wollte ich die Wohnung wechseln und beauftragte eine Agentur, mir bei der Wohnungssuche behilflich zu sein.

Doch der gesamte Prozess ist hierzulande ein anderer als in China. Und da ich zu dieser Zeit noch nicht ausreichend Deutsch konnte, musste ich mich auf Englisch verständigen, was die Sache nicht gerade erleichterte.

Als ich den Mitarbeitern der Agentur zu sagen versuchte, was ich möchte, sagte neben mir eine ältere Dame, ich glaube sie war die Putzfrau: „Ich verstehe nicht. Sie sprechen nicht einmal Deutsch, was wollen Sie denn hier?“

Ähnliche Situationen treten von Zeit zu Zeit immer wieder auf. Zum Beispiel wenn ich einkaufen gehe. Im geschäftlichen Umfeld fühle ich mich sehr gut integriert. Die Menschen sehen mich hier als Teil eines Unternehmens.

Im Privatleben ist das allerdings anders: Beim Einkaufen oder anderen Gelegenheiten, begegnen einem die Mitmenschen, die nicht wissen, was ich hier tue, teilweise mit Vorbehalten oder Unverständnis.

Ich glaube es liegt daran, dass sie mich nicht recht in Schemata einordnen können oder eben nur in das Schema eines hilfsbedürftigen Ausländers.

Haben Sie sich in den 10 Jahren, die Sie in Deutschland sind, verändert?

Ich habe mich sicherlich verändert. Wenn jemand länger in Deutschland bleibt wird er – zumindest wenn er ein Chinese ist – geradliniger und offener. Das liegt daran, dass hierzulande alles geordnet ist.

Obwohl Netzwerke und „Guanxi“ (Beziehungen und Bekanntschaften, Anm. d. Red.) in Deutschland ebenfalls sehr wichtig sind, gibt es hier klar definierte Grenzen. Hierzulande wird man nicht die Regeln außer Acht lassen oder brechen, weil jemand die besseren Beziehungen hat. Man kann höchstens im Entscheidungsspielraum des jeweiligen Kontakts gewisse Präferenzen erreichen. Das ist in China ganz anders. Es gibt dort so viele Tricks und Möglichkeiten.

Eine zweite Änderung, die ich in Deutschland vollzogen habe, betrifft meine Art und Weise zu denken. Für Deutsche ist individualistisches, unabhängiges Denken sehr wichtig und für Amerikaner wahrscheinlich sogar noch mehr.

Wenn ich also Probleme löse, so wende ich nicht nur die chinesische sondern auch die deutsche Denkweise an. Die chinesische Denkweise funktioniert so, dass man zuerst überlegt, was der Vorgesetzte über das betreffende Problem denken mag. Obwohl auch Deutsche dieses in ihre Überlegungen mit einfließen lassen, so bleibt doch viel mehr Raum, auch eigene Ideen unterzubringen.

Glauben Sie, dass es für Sie einen Punkt gibt, wo Sie als Ausländer in Deutschland nicht mehr weiter aufsteigen können?

Natürlich gibt es für jeden, egal ob Ausländer oder nicht, einen Punkt, an dem es erst einmal nicht weitergeht. Für Ausländer ist es prinzipiell etwas schwieriger aufzusteigen, was aber nicht bedeutet, dass man es nicht schafft.

Drei Punkte sind meiner Ansicht nach entscheidend: dass man die deutsche Denkweise annimmt bzw. versteht, man gut kommuniziert und dass natürlich auch die Leistungen stimmen.

Eine erfolgreiche Karriere ist Ihnen sehr wichtig?

Jede Familie braucht einen „Stamm“, einen Ernährer. Daher ist mir ein gutes Einkommen wichtig. Meine Frau ist Pianistin. Ich hoffe natürlich, dass Sie eines Tages reich und berühmt wird und mehr verdient als ich. Bis dahin bin aber ich für das Einkommen meiner Familie verantwortlich.

Meine Eltern in China brauchen Geld wenn Sie älter sind und ich brauche auch Geld für unser Haus, das Auto und die Ausbildung meiner Kinder.

Ich hoffe, dass wir nach einiger Zeit in China wieder nach Deutschland zurückkommen können, da ich mich nach den zehn Jahren hier sehr an alles gewöhnt habe.

Wenn Sie nach so langer Zeit wieder nach China zurückkehren, glauben Sie, dass es Ihnen leicht fallen wird sich den dortigen Gegebenheiten anzupassen?

Ja, ich denke, dass ich diesen Schritt problemlos bewältigen werde. Schließlich habe ich den umgekehrten, viel schwereren Weg, auch geschafft. Nach all den Schwierigkeiten, die ich zu Anfang hier in Deutschland hatte, glaube ich, dass der Weg zurück in die Heimat nicht sehr schwierig sein wird.

Ich bringe viele Erfahrungen und Kenntnisse durch meine Arbeit in Deutschland mit und werde die Prozesse vor Ort in China erst erarbeiten und entwickeln müssen.

Zu Anfang werde ich also viele Vorbereitungen treffen, wie zum Beispiel Vorlagen und Dokumentationen erstellen, Arbeitsprozesse entwickeln und Teams zusammenstellen. Basierend auf den neuen Produkten und Aufgabenbereichen meiner zukünftigen Firma.

Woran denken Sie am meisten, wenn Sie an Ihre Heimat denken?

Am meisten denke ich an meine Eltern. An alle anderen Dinge gewöhnt man sich und denkt mit der Zeit immer weniger daran.

Eine Sache, die ich allerdings tatsächlich vermisse, ist die große Auswahl an Gemüse, die in China angeboten wird (lacht). Die Auswahl an Gemüse in Deutschland ist wirklich sehr gering und der Geschmack lässt auch zu wünschen übrig. Ich empfinde das Gemüse hier vor Ort weniger frisch als in China.

Ihrer Aussage nach scheinen Sie eine Person zu sein, die gerne gut und gesund isst und bestimmt auch gerne kocht.

Das ist richtig. Ich liebe es zu kochen. Wahrscheinlich auch, weil ich von Beruf Ingenieur bin. Sowohl beim Kochen, als auch in meinem Beruf muss ich sehr kreativ sein und gewisse Prozesse beherrschen.

Sorgen Sie sich über die Lebensmittelsicherheit in China?

Das Problem mit der Lebensmittelsicherheit in China ist, dass es dort keine wirklichen Vorschriften gibt bzw. wenn es sie gibt, werden sie einfach nicht beachtet.

Das gesetzliche Festlegen solcher Vorschriften wäre gegen den Willen mächtiger Interessengruppen, die von der aktuellen Situation profitieren.

Was ich dagegen tun kann, ist heraus zu finden, welches Gemüse chemisch behandelt wird und warum. Das heißt, ich muss mich sehr gut informieren und viel darüber lesen, um die Situation besser einschätzen zu können.

Finden Sie, dass China trotz all der Probleme, die die aktuelle chinesische Gesellschaft mit sich bringt, ein Land ist, das man lieben kann?

Ich bin dort geboren und aufgewachsen und habe so viele unvergessliche Erinnerungen von dort. Ich denke, dass China durchaus ein Land ist, das es verdient hat es zu lieben.

Das Land China und die chinesische Regierung sollte man getrennt betrachten. China ist mein Heimatland. Wenn Sie mich fragen, warum ich es liebe, obwohl es so viele Probleme gibt, möchte ich Ihnen hierfür gerne eine Metapher geben:

Warum sollten wir unsere Eltern lieben? Wir können uns unsere Eltern nicht wirklich aussuchen. Unsere Eltern haben uns das Leben geschenkt und selbst wenn manche Kinder keine gute Beziehung zu ihren Eltern haben, wenn sie jung sind, kommen sie spätestens, wenn ihre Eltern alt sind, wieder zurück, um sie im Alter zu pflegen. Mit dem Heimatland ist es ähnlich. Die Verbundenheit bleibt immer!

Natürlich ist es nicht richtig von unserer Regierung immer wieder Fehler zu vertuschen, aber es bedeutet auch nicht, dass unsere Regierung überhaupt nichts Gutes getan hat.

Die Regierung hat die Verantwortung dafür übernommen, ein solch riesiges Land zu organisieren. Um ehrlich zu sein, kann ich mir keine andere Partei vorstellen, die alternativ die Verantwortung für ein so großes Land übernehmen könnte.

Einige Chinesen im Ausland kritisieren die aktuelle Politik und allgemeine Situation in China sehr deutlich. Was denken Sie über diese Leute?

Ich denke, dass es hierfür einen Grund geben muss, dass sie eine solche Aussage treffen. Wahrscheinlich sind sie besonders kritisch, weil sie ihr Heimatland so sehr lieben und sich wünschen, dass China sich zu einem besseren Land entwickelt.

Ein weiterer Grund für ihre Einstellung könnte sein, dass sie schlecht und unfair behandelt werden, oder weil sie ihre Träume in China nicht verwirklichen können. Wenn jemand sagt, dass er China nicht mag, würde ich mir erst einmal gerne die Geschichte dazu anhören, um zu verstehen, warum diese Person überhaupt so denkt. Vielleicht kann man im Anschluss daran die Situation sogar selbst verstehen.

Sie haben Kontakt mit Kunden aus aller Welt. Welche Unterschiede stellen Sie im Vergleich zu Chinesen fest?

Das ist ein interessantes Thema. Bei Chinesen ist es zum Beispiel extrem schwierig Termine und Agenden vorauszuplanen. Alles kann sich in letzter Minute noch mal ändern. Man muss auch immer Geschenke bereithalten, oder es wird einigermaßen peinlich, wenn Geschenke ausgetauscht werden.

In Besprechungen brauchen Chinesen immer heißes Wasser für ihren Tee, das man ihnen anbieten muss. Essen ist ebenfalls sehr wichtig für Chinesen. Jedes Essen muss warm sein und die Gespräche beim Essen sind sehr wichtig für sie.

Wenn Sie ein kaltes Buffet anbieten, so werden sich Ihre chinesischen Gäste nicht wohlfühlen.

Sind Sie optimistisch, was die chinesische Volkswirtschaft angeht?

Ja.

Warum? Wegen der großen Bevölkerung?

Natürlich ist die große Bevölkerung ein Vorteil, der chinesische Markt hat viel Potential.

Das Durchschnittseinkommen in China ist nicht sehr hoch und die Kaufkraft folglich entsprechend schwach. Sehen Sie das als ein Problem für die chinesische Wirtschaft?

In China ist es etwas anders als in Deutschland. Man kann sogar mit 150 € pro Monat sein Leben bestreiten. Man muss nur wissen wie. Beispielsweise kann man in Supermärkte einkaufen gehen, die dauerhaft reduzierte Ware anbieten, es gibt Straßenmärkte, wo es günstigere Produkte gibt und ein Apartment muss man sich bei solch geringem Einkommen vielleicht mit mehreren Menschen teilen.

Der gesamte chinesische Markt ist in verschiedene Klassen gegliedert, abhängig der unterschiedlichen Einkommen. Somit hat jedes Unternehmen in China die Chance einen entsprechenden Markt für sich zu finden. Das Problem, das sich meiner Ansicht nach der chinesischen Volkswirtschaft stellt, ist neue Wachstumstreiber zu finden.

Welche Industrien und Märkte werden in China boomen und wo glauben Sie, stehen Schwierigkeiten ins Haus?

Erstens Kunst und Kultur: Weil der Markt im Moment noch relativ überschaubar ist, gibt es hier großes Potential.

Auch das produzierende Gewerbe erscheint viel versprechend. Vor einigen Jahren hat eine Marktkonzentration eingesetzt und der Fokus hat sich auf qualitativ hochwertigere und technisch fortschrittlichere Produkte verschoben. Im Moment, unabhängig davon ob es sich um private oder öffentliche Firmen handelt, ist man der Meinung, dass die Zukunft für China in der Fertigung qualitativ und technisch hochwertiger Produkte liegt.

Die Finanz- und Immobilienmärkte könnten zukünftig rückläufig sein. Insbesondere der Finanzmarkt, da es keine ausreichenden Regularien für ihn gibt. Selbst in einem Land wie den USA, wo es so viele Regeln für den Kapitalmarkt gibt, könnte es eine Subprime-Krise geben. Ich will mir gar nicht vorstellen, was dann erst auf dem chinesischen Markt, für den es gar keine Regeln gibt, passieren könnte.

Aus der Perspektive eines Ingenieurs, ist die Finanzindustrie keine reale Wirtschaftseinheit, da sie nicht wirklich Werte schafft. Sie ist auf die Realwirtschaft angewiesen. China sollte mehr Wert auf die Realwirtschaft legen.

Lassen Sie uns über zwei beliebte Themen im Zusammenhang mit China sprechen. Reden wir zuerst über Tibet. Wie sehen Sie dieses Thema?

Ich habe mit meinen Kollegen über dieses Problem diskutiert. Meine Kollegen sehen den Dalai Lama als Heiligen. Ich sehe ihn als Politiker.

Aber für Tibet ist es doch eher ein religiöses Problem, oder?

Die kommunistische Partei wird eigentlich geführt wie eine religiöse Institution. Es werden kaum andere Glaubensrichtungen anerkannt. Die Worte von Mao und Marx wurden zu Dogmen erhoben. Sie haben ihre Glaubenssätze mit denen Sie versuchen alle Probleme der Welt zu erklären.

Die kommunistische Partei hat versucht mit den Theorien von Karl Marx alle Probleme von China zu lösen. Das ist so ähnlich wie zu versuchen alles mit der Bibel oder dem Koran zu erklären.

Das Problem zwischen China und Tibet ist also in der Tat wie ein Konflikt zwischen zwei Religionen und das ist auch der Grund, weshalb er so schwer zu lösen ist.

Ich denke mit der fortschreitenden Demokratisierung und dem Verblassen des kommunistischen Gedankenguts, wird sich auch dieser Konflikt in Zukunft einfacher entschärfen lassen. In Tibet sind Religion und Politik eine Einheit. Obwohl der Dalai Lama niemals beansprucht, der politische Herrscher von Tibet zu sein, so war er doch einer der führenden Politiker Tibets.

Ein Grund weshalb man in der westlichen Welt Tibet eher als unabhängig sieht und weshalb man das in China traditionell anders sieht ist folgender: In der Qin-Dynastie, der letzten Dynastie Chinas, gab man der Provinz Tibet eine Menge Autonomie. Als dann die Engländer nach Tibet kamen, so hatten Sie den Eindruck in einem unabhängigen Land zu sein und haben diesen Eindruck auch in der westlichen Welt verbreitet.

Faktisch war Tibet aber immer Teil von China. Ich denke wenn Tibet Teil von China bleibt, so hat das für sie große finanzielle Vorteile. Wer aber würde Tibet unterstützen wenn es unabhängig werden würde? Die USA, Indien, Europa?

Wie sehen Sie die Spannungen zwischen China und Japan in der Vergangenheit und diejenigen, die kürzlich aufgetreten sind?

Ich weiß, dass Sie auf die Problematik mit der Insel Diaoyu (Insel Senkaku) anspielen. Ich sehe nicht gerne, dass sich China und Japan um diese Insel streiten. Ich möchte auch nicht, dass der historische Konflikt weiterhin andauert.

Ich habe viel Kontakt mit Japanern. Ich habe japanische Kollegen hier am Institut, habe japanische Kunden, viel Technik die wir hier benutzen wurde in Japan gefertigt und ich war auch selbst schon in Japan.

Aber ich verstehe die chinesische Position und warum sie so viel Wert auf diese Insel legen. Obwohl die Insel auf dem Papier sehr klein erscheint, so geht es im Wesentlichen um die damit verbundene 200-Meilen-Zone und somit auch um eine große Menge an Bodenschätzen auf dem Grund dieser Zone.

Die chinesische Bevölkerung hat sehr gereizt und teilweise aggressiv auf diese Problematik reagiert. Dies drückt jedoch nicht nur die Vorbehalte gegenüber Japan aus sondern war vielmehr auch ein Ventil für bestehende innenpolitische und soziale Spannungen. Diejenigen, die sich sogar für den Krieg ausgesprochen haben, gehören zu den benachteiligten Teilen der Bevölkerung. Als Familienvater mit einer Karriere, befürwortet niemand so etwas, weil man darin keinen Vorteil sieht.

Aber emotional tendiere ich natürlich trotzdem eher zu der chinesischen Seite in dieser Angelegenheit.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Manfred Wang“ wurde von der Redaktion geändert.

Gleichberechtigung und Frauenquote im Berufsleben in China

Wenn man die deutschen Diskussionen zur Frauenquote verfolgt und daneben die chinesische Realität betrachtet, gewinnt das Thema ein paar zusätzliche Perspektiven. Mao hat den chinesischen Frauen vor vielen Jahren die Hälfte vom Himmel versprochen. Hat die Partei dieses Versprechen gehalten?

Tatsächlich ist der Anteil der arbeitenden Frauen in China hoch und liegt in den Städten wahrscheinlich bei über 80 % des männlichen Anteils. Es gibt kaum lange Schwangerschaftspausen und es ist gelebte Normalität, dass eine Frau arbeitet. Die „Vollzeitmutter“ ist seltene Ausnahme.

Es gibt eine beachtliche Zahl weiblicher Unternehmer, viele sehr gut ausgebildete Frauen und zahlreiche weibliche Ingenieure. Eine Schwangerschaft wird weder von Mitarbeitern noch von Arbeitgebern als wesentliche Einschränkung wahrgenommen. Trotzdem scheint der Frauenanteil in Führungs- und Machtpositionen insgesamt nicht wesentlich höher zu sein als in Westeuropa. Warum ist das so?

Man kann argumentieren, dass die chinesische Tradition stärker noch als die westliche über Jahrhunderte das weibliche Geschlecht als das schwächere definiert hat – mit einer entsprechend dienenden Aufgabenzuteilung. Und es wird natürlich von den meisten Frauen für den schlichten Broterwerb und den Lebensstandard gearbeitet, die Karriereerwartungen sind häufig nicht sehr hoch. Von Erfüllung im Beruf und Selbstverwirklichung durch Arbeit gar nicht zu reden.

Und auch in China gibt es noch Männer, die nach alter Gewohnheit lieber mit anderen Männern arbeiten als sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen.

Chinesische Ansichten

Trotzdem – wenn Sie hochqualifizierte chinesische Frauen fragen, bekommen Sie immer wieder zwei ganz andere Punkte genannt, die auch für die westliche Diskussion interessant sind.

Zum einen sagen die Frauen: „Wir haben eine Alternative zum Streben nach Geld und Erfolg, die Männer kaum“. Ob ein Mann attraktiver für das andere Geschlecht werden will, ob er Geld verdienen möchte, ob er den Wunsch hat, seiner Familie zu helfen oder seinem Ego etwas Gutes zu tun: der gesellschaftlich anerkannte und damit dann auch der erfolgreiche Weg ist immer der Gleiche – nämlich möglichst viel berufliche Anerkennung.

Für Frauen gibt es für fast alle diese Ziele interessante Alternativen. Vielleicht entscheidet sich deshalb auch nur ein – verglichen mit den Männern – kleinerer Anteil für den Karriereweg und die damit verbundenen Konsequenzen?

Zum anderen erfordert eine Karriere Präsenz; vielleicht in China sogar noch mehr als im Westen. In nahezu allen höheren Positionen kommt es nicht nur auf die funktionale Arbeitsleistung an, sondern zusätzlich auf Beziehungen, Netzwerke, das Kennen von Menschen und die schlichte Anwesenheit an der richtigen Stelle im richtigen Moment.

Das Ausmaß der Präsenz ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Gemeinsame Erlebnisse außerhalb der unmittelbaren Arbeitsumgebung sind Basis jedes Teambuilding-Prozesses. Und ob das nun beim Sport, beim Essen, beim Trinken oder bei anderen Aktivitäten stattfindet: es erfordert Präsenz.

Für Arbeits- und Führungsteams gilt das ganz genauso. Wer häufiger da ist, ist meist auch besser integriert. Dieses Anwesenheitsinvestment wollen und können viele Frauen nicht unbegrenzt leisten, wobei natürlich Mutterpflichten eine große Rolle spielen. Trotzdem ist klar: auch in einer idealen Welt, in der Kinderbetreuung und Haushaltspflichten fair und gleichmäßig zwischen den Eltern verteilt wären, bliebe ein großer Präsenznachteil für Mütter bestehen.

Dass die Väter den dann auch hätten, könnte das relative Kräfteverhältnis ein wenig verbessern, ändert aber am Grundproblem nichts: Wer weniger präsent ist, hat in der Karriereentwicklung Nachteile und das wird sich auch nicht ändern.

Hinzu kommt in Deutschland die in der bürgerlichen Mitte verbreitete Überzeugung, Betreuung durch die eigenen Eltern sei für die Kinder die maximale Lösung und zwar je mehr davon, desto besser. Das sieht man anderswo sehr viel differenzierter.

Viele chinesische Eltern finden es normal und gesund, dass ihre Kinder von Anfang an auch fremden Einflüssen ausgesetzt sind. Selbst für viele hochqualifizierte chinesische Frauen in Deutschland ist das kein Thema, durch das sie ihre beruflichen Möglichkeiten wesentlich beschränkt sehen. Die Liebe drückt sich nach dieser Sichtweise nicht im Maß der aufgebrachten Betreuungszeit aus. Und man hat nicht den Eindruck, dass den Kindern das schlecht bekommt.

Interview mit RW-Leiterin Jie Chen

Jie Chen ist Mitte 30 und stammt aus Shanghai. Sie wohnt in Berlin und ist bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Studiert hat sie in China und Deutschland, Arbeitserfahrungen sowohl in Deutschland als auch in den USA gesammelt. Derzeit ist Jie Chen bei einem großen europäischen Verkehrsunternehmen als Leiterin des Rechnungswesen tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Im Interview mit Wei Fischer erzählt sie über ihre Erfahrungen als erfolgreiche Führungskraft, Mutter und Chinesin in Deutschland.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen Deutsch zu lernen als Sie noch recht jung waren?

Das war mehr oder weniger ein Zufall. Als ich die 6. Klasse der Grundschule besuchte, wurde ich von der Schule für die Teilnahme an der Aufnahmeprüfung der Shanghaier Fremdsprachenmittelschule ausgewählt. Ich bestand die Prüfung und kam in die Klasse, wo Deutsch, Französisch, Japanisch und Russisch als Fremdsprachen angeboten wurden.

Was ist Ihr bisheriger Eindruck von Deutschland?

Deutschland ist ein sehr schönes und grünes Land. Man achtet sehr auf die Umwelt, wovon alle lernen sollten. Man hat Freiheit und kann auch ohne eine Hochschulausbildung ein gutes Leben führen – das ist ganz anders als in China.

Alles hat seine Ordnung, was auch gut ist. Jedoch führt diese Ordnungsliebe manchmal auch zu einer sehr versteiften und unflexiblen Haltung, wodurch die ursprüngliche Zielsetzung nicht erreicht werden kann.

Ihre Karriere verlief bisher sehr erfolgreich und reibungslos. Was war die größte Schwierigkeit mit der Sie in Ihrer bisherigen Karriere konfrontiert wurden?

Größere und kleinere Schwierigkeiten gibt es überall im Leben. Ich sehe dies immer als Herausforderung. Die schwierigsten Entscheidungen und Herausforderungen waren bislang für mich, eine gut bezahlte und aussichtsreiche Stelle aufzugeben um neue berufliche Herausforderungen in einem fremden Unternehmen bzw. Land aufzunehmen.

Die Entscheidung in die USA zu gehen fiel mir nicht leicht, da meine Karriere in Deutschland damals gerade erst startete. Ebenso schwer war die Entscheidung zurück nach Deutschland zu kommen, da ich in den amerikanischen Unternehmen zweimal in acht Monaten befördert wurde.

Momentan stehe ich wieder vor so einer Entscheidung. Letztendlich ist es wichtig, dass man seine Ziele im Auge behält und sich selbst treu bleibt. Fleiß und schnelle Lernfähigkeit zählen zu den Grundlagen im Leben.

In Deutschland erreichen nur wenige Frauen eine Leitungsposition. Denken Sie, das liegt an dem generellen beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld oder an anderen Gründen?

Ich finde, dass viel mehr Frauen in den letzten Jahren Leitungsfunktionen ausüben als dies noch vor 7 oder 8 Jahren der Fall war. Die Tendenz ist erfreulich.

Der Hintergrund dieser Erscheinung hat meines Erachtens seine Wurzel in der Vergangenheit. In der Entscheidung der Frauen selbst und gewiss auch in der Entscheidung mancher Führungspersonen und der Haltung der nahestehenden Personen, wie Eltern, Partner und Freunde, um die Frauen herum.

Jedoch fühlte ich mich persönlich nie benachteiligt. Es ist immer eine Sache der Selbst- und Fremdeinschätzung.

Was halten Sie von der aktuell in Deutschland diskutierten und von der EU vorgeschlagenen Frauenquote? Befürworten Sie diese?

Das ist ein viel diskutiertes Thema. Ich bin gegen eine Regelung durch eine Quote. Das ist meines Erachtens ein Riesenrückschritt in der Emanzipation der Frauen. Dadurch werden gute und weniger gute Leistungen einzelner Frauen verallgemeinert.

Was geändert werden müsste, sind die Haltungen der Frauen und ihrer Mitmenschen. Das ist aber natürlich keine Sache, die von heute auf morgen und auch nicht innerhalb den nächsten zehn Jahren zu ändern ist, sondern ein Projekt für mehrere Generationen. Ich bin jedoch sehr zuversichtlich, dass es so kommen wird.

Denken Sie, dass Frauen nach der Geburt durch den Arbeitgeber und die Gesellschaft stärker unterstützt werden sollten? Beispielsweise hinsichtlich der Ermöglichung von Teilzeitarbeit oder Home-Work, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.

Ich kenne viele Unternehmen, die solche Möglichkeiten anbieten. Das ist sehr positiv. Mit der Entwicklung der Technik ist vernetztes Arbeiten von Zuhause aus einfacher als vor 20 Jahren. Man mus natürlich auch akzeptieren, dass einige Positionen weniger geeignet sind für solche Arbeitsweisen.

Ich möchte jedoch auch zu Bedenken geben, dass man diese Fragestellung meist nur an Frauen richtet. Man sollte vielmehr auch Männern die Möglichkeit einräumen, zur Nachwuchs-Betreuung Teilzeit oder Homeoffice vereinbaren zu dürfen.

Es ist immer noch für zu viele Vorgesetzte „überraschend“, wenn Männer um 16 Uhr die Kinder abholen gehen. Viele Männer bringen daher die Kinder lieber morgens zur Kita oder Schule als diese abends abzuholen.

Und das ist genau das, was ich eben gemeint habe mit Haltung der Mitmenschen um die Frauen herum.

Ich bin eine sehr glückliche Frau, weil ich die volle Unterstützung von meinen Eltern, meinem Ehemann und meiner Kinder bekommen habe. Die Haltung meiner Mitmenschen hat mir auch meine bisherige Karriere ermöglicht.

Denken Sie, dass es für Ihre Karriere von Vor- oder Nachteil ist, dass Sie eine Ausländerin sind?

Gewiss könnte es eine Rolle spielen. Jedoch sind Persönlichkeit und Fähigkeiten viel wichtiger als die Nationalität. Manchmal ist eine fremde Nationalität sogar ein Vorteil, weil man viel mehr bewundert wird, wenn man die gleiche Leistung wie die Muttersprachler bringen kann.

Ich empfand meine ausländische Identität persönlich bislang immer als einen Bonuspunkt.

Ist Ihnen eine erfolgreiche Karriere sehr wichtig? Familie oder Karriere, was ist für Sie wichtiger?

Ich bin zuerst ein Mensch, erst dann eine Frau, Mutter und Tochter. Eine erfolgreiche Karriere ist wichtig. Meine Familie ist mir wichtig.

Ich respektiere alle Frauen, die ihre ganze Kraft Familie und Kindern widmen, weil das die Entscheidung eines Menschen ist. Genauso respektiere ich jedoch auch alle Frauen, die ihre ganze Kraft der Karriere widmen.

Eine Familie zu führen beinhaltet genauso viele Herausforderungen wie eine berufliche Karriere. Ein Kind zu einem aufrichtigen, anständigen, glücklichen und der Gesellschaft nützlichen Menschen zu erziehen, der selbst wiederum gute Werte an seine Kinder weitergeben kann, ist mindestens so bedeutend wie ein erfolgreiches Unternehmen zu führen. Das ist auch der Wert, den ich meinen Kindern vermitteln möchte.

Ich bin fest überzeugt, dass meine Karriere und meine Familie sich gegenseitig unterstützen. Ohne Unterstützung der Familie kann ich mich beruflich nicht weiterentwickeln. Ohne beruflichen Erfolg kann ich nicht glücklich meine Weltanschauung und meine Werte an meine Kinder weitergeben.

Es gibt natürlich Tage, an denen ich die Familie der Karriere vorziehe. Es gibt aber genauso Tage, wo ich mich auf die Karriere konzentriere. Ich mache mir mindestens genauso viele Gedanken um meine Familie, insbesondere hinsichtlich der Planung der Kindererziehung, wie um meinen Beruf.

Die Kunst ist Familie und Karriere in Balance zu bringen bzw. genug Selbstvertrauen zu haben, um zu wissen, wann man welche Seite vorziehen muss. Entscheidend ist vorausschauend zu bleiben, um Engpässe und Konflikte zu vermeiden. Das ist im Privaten genauso wichtig wie im Beruflichen.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied im Denken und Handeln von Deutschen und Chinesen?

Grundsätzlich beachten die Deutschen viel mehr die Regeln als die Chinesen. Die Chinesen sind zielorientierter und flexibler. In China stehen die Leute unter stärkerem sozialem Druck und Gruppenzwang als in Deutschland.

Die Chinesen legen mehr Wert auf Ausbildung. Die Deutschen legen hingegen mehr Wert auf Individualität.

Man sollte beim Blick auf China auf jeden Fall die Größe des Landes und das Potential berücksichtigen. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Grundlagen weiterentwickeln, wird es in 10 – 15 Jahren viel mehr erfolgreiche chinesische Persönlichkeiten und chinesische Unternehmen in absoluter Zahl geben, weil die Grundgesamtheit einfach viel größer ist.

Somit ist es umso wichtiger, dass es ein gegenseitiges Vertrauen und Verständnis geben sollte.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Jie Chen“ wurde von der Redaktion geändert.