Linktipp: Wann kommen die Fortschritte Chinas endlich am Aktienmarkt an? (institutional-money.com)

Der chinesische Aktienmarkt kommt trotz des enormen Wirtschaftswachstums seit Jahren nicht wieder in Schwung. Liegt das wirklich am fehlenden Fokus auf den Shareholder Value und an niedrigen Dividenden?

Die konkreten Auslöser für einen Stimmungsumschwung an den Börsen sind fast immer einzelne Ereignisse – trotzdem werden aber die großen Trends meist durch eher weiche Faktoren bestimmt. Ich glaube nicht, dass Kapitalrenditen und Ausschüttungen für den chinesischen Bärenmarkt die entscheidende Ursache sind.

Auch nicht die zahlreichen dunklen Wolken, die es ja zweifellos gibt: enorme kommunale Verschuldung, Korruption in unterschiedlichster Form, die Endlichkeit des quantitativen Wachstumsmodells, die Umweltbelastung usw.

Ich bin sicher, dass der wichtigste Einzelfaktor für das fehlende Vertrauen in die Nachhaltigkeit des chinesischen Wirtschaftsmodells im Management zu suchen ist. Die Zahl der sichtbaren fähigen Führungspersönlichkeiten steht in keinem Verhältnis zum Bedarf.

Das liegt sicher zum Teil an der Kommunikation und dem zurückhaltenden Umgang dieser Leute mit den Medien. Es liegt aber auch daran, dass es tatsächlich viel zu wenige gibt. Und die Mischung aus beidem, mit der ohnehin verbreiteten Intransparenz, verhindert Vertrauen und Enthusiasmus an der Börse.

Zum Artikel auf institutional-money.com

Linktipp: Sieg bei Pisa – China produziert Elite wie am Fließband (n-tv, Marcel Grzanna)

Ein kluger Artikel, sehr lesenswert! Die chinesischen Pisa-Erfolge stehen für vieles: Beim Blick von Deutschland nach China gibt es Anlass weder zu Hochmut noch zu Minderwertigkeitskomplexen.

Wie in vielen Lebensbereichen haben die Chinesen große und beeindruckende Zahlen zu bieten – bei der Umweltverschmutzung und beim Wegsperren politischer Gefangener ebenso wie beim wirtschaftlichen Wachstum und der Armutsbekämpfung. Das liegt an der Größe des Landes und der Vielzahl der Menschen, aber auch an der Radikalität, mit der die Regierung versucht, die Kontrolle zu behalten und ihre Strategien durchzusetzen.

In der Tat ist die große Frage, wie mit dieser Mischung aus Leistungsdrill und Beschränkung der geistigen Freiheit die enorme Zahl an fähigen Führungsfiguren hervorgebracht werden soll, die das Land in den nächsten Jahren brauchen wird. Die chinesischen Superschüler können ja nicht alle anschließend noch im Ausland studieren, um zu lernen, auch ohne ständigen Druck von außen eigenmotiviert und selbstständig zu arbeiten.

Zum Artikel von Marcel Grzanna

Sind die deutschen Autohersteller von China abhängig?

Natürlich bestehen Abhängigkeiten – aber sie bestehen gegenseitig! Für die großen deutschen Hersteller wäre ein Ausfall des chinesischen Marktes ein Fiasko. Aber für die chinesische Wirtschaft ist das Automobilgeschäft von ebenso zentraler Bedeutung.

Beide Seiten können nicht aussteigen, sondern nur – wie beim Schachspiel – versuchen, ihre jeweilige Position etwas zu verbessern. Ich sehe nicht, was an dieser gegenseitigen Abhängigkeit falsch oder ungesund sein soll, wenn die Unternehmen die bestehenden Risiken seriös abschätzen und beobachten.

Natürlich wäre eine Wirtschaftskrise in China existenzgefährdend für viele deutsche Zulieferer und wahrscheinlich sogar manche Hersteller – aber das gilt auch für eine tiefe Wirtschaftskrise in der westlichen Welt! Hätte die letzte zweimal solange gedauert und hätte nicht insbesondere  die chinesische Nachfrage anschließend einen sehr schnellen und steilen Aufschwung bewirkt – deutsche Unternehmen wären zu Hunderten in der Insolvenz gelandet.

Bedrohung durch lokale Wettbewerber

Wirklich interessant ist: warum kommen die chinesischen Hersteller nicht voran und was kann man daraus lernen? Die Automobilindustrie ist eine interessante Fallstudie, wenn es um China geht. Im chinesischen Automarkt war das erste Volkswagen Joint Venture in den achtziger Jahren fast ein Monopolist. Später konnten die heimischen Hersteller etwas Boden gut machen und gleichzeitig musste Volkswagen den – allerdings rasant wachsenden – Markt mit anderen internationalen Herstellern und ihren Joint Ventures teilen.

Jetzt haben die heimischen Hersteller in China seit Jahren wieder rückläufige Marktanteile und liegen alle zusammen noch nicht einmal bei 25 %. Dass das der chinesischen Regierung nicht gefallen kann, ist klar; erfolgreiche Industriepolitik sieht anders aus. Dass sich das Mitleid des Westens in Grenzen hält, ist ebenso klar: Erstens profitieren wir kräftig und zweitens ist das chinesische Regime im Westen herzlich unpopulär.

Als Grund wird oft die starke Markenorientierung der Chinesen genannt. Die spielt sicher eine Rolle. Aber man kann bei anderen imageträchtigen Produkten – etwa Smartphones – sehen, dass leistungsfähige lokale Wettbewerber absolut ihren Markt finden, wenn sie attraktive Produkte preiswert anbieten können.

Es ist einfach den lokalen chinesischen Autoherstellern bisher nicht gelungen, ein Preis-Leistung-Verhältnis anzubieten, das wirklich attraktiv ist – und das liegt nicht am Preis!

Unternehmensführung

Die Chinesen sind nicht gut in der Beherrschung der Kernprozesse in Produktentstehung und Vermarktung. Letztlich geht es um die Qualität der Unternehmensführung! Die chinesische Industrie ist groß, alle Zahlen sind es auch, aber das Leistungsniveau ist bei vielen Faktoren weit vom westlichen Wettbewerb entfernt. Besonders beim Thema Management sind viele chinesische Unternehmen noch lange nicht auf internationalen Top-Standard.

In einer Kultur, die leitende Positionen  traditionell nach kompetenzfremden Kriterien vergibt, kann ein wirklich erstklassiges Ergebnis nur durch Zufall entstehen. Ohne die besten leitenden Ingenieure, Projektleiter und Topmanager entstehen einfach nicht ständig neue Produkte auf höchstem Niveau.

Wenn die Toppositionen in der Motorenentwicklung von mittelmäßigen Leuten besetzt sind, weil diese parteiloyal sind oder die richtigen Freunde haben, gibt es keine erstklassigen Motoren, ganz einfach!

Diese Logik wird in der Welt der Elektrofahrzeuge ebenso gelten wie bei herkömmlichen Verbrennungsfahrzeugen.

Die Hoffnung der chinesischen Regierung, hier schneller zur Spitze vordringen zu können, weil quasi alle bei null starten, wird sich als Illusion erweisen. Der Vorsprung der internationalen Firmen in puncto Methoden und Prozesse wird sich bei den Elektrofahrzeugen ähnlich auswirken wie bei der herkömmlichen Technologie.

Qualität des Führungspersonals

Die internationalen Hersteller haben beim Thema Human Resources die Nase weit vorn – bei der Ausbildung, vor allem aber bei der Auswahl!

Die Produkte der internationalen Wettbewerber werden meist allenfalls teilweise in China entwickelt. Wo tatsächlich Neu- oder Anpassungsentwicklung lokalisiert sind, wird meist auch noch westliches Know-how gebraucht. In den Produktions- und Qualitätsprozessen  setzen die großen Marken seit Jahrzehnten auf heimisches Wissen und entsandtes Personal.

Die chinesischen Manager sind nicht dümmer als die im Westen; im Gegenteil gibt es – insbesondere unter den im Ausland ausgebildeten Sinodirektoren- sehr gute und kluge Leute, besonders in den technischen Berufen. Diese Menschen haben auch das richtige Verständnis für Abläufe und kontinuierliche Verbesserungsprozesse – aber diese Qualitäten sind in China einfach noch zu selten gefragt.

Deshalb sind Staatsunternehmen wenig attraktiv für angestellte Unternehmer. Die Beförderungspolitik folgt allen möglichen Kriterien, von denen fachliches Können nur eine ist – das ist kein Klima, in dem gutes Management gedeiht.

In privaten und Joint-Venture-Unternehmen ist das oft etwas besser mit der Betonung auf „etwas“. Generell sind internationale Unternehmen für gute chinesische Mitarbeiter meist attraktiver – obwohl die Bezahlung oft gar nicht mehr besser ist. Aber auch die deutschen Joint Ventures tun sich sehr schwer, eine Beförderungs- und Führungskultur auf internationalem Top-Niveau zu entwickeln. Die chinesischen Partner im Joint Venture sind meist die Entscheider oder zumindest  Mitentscheider in Personalfragen und haben ihre eigenen Kriterien zur Vergabe interessanter Führungspositionen.

Ergebnis

Wirkliche Gefahr würde also in absehbarer Zeit nur von einem chinesischen Unternehmen drohen, dem es gelänge, sich aus dem traditionellen Umgang mit Führungspersonal zu befreien; wenn es BYD, Qoros, Volvo oder einem anderen gelänge, eine attraktive Unternehmenskultur zu entwickeln, die konsequent nach Verdienst und Kompetenz entscheidet, wäre der Weg immer noch weit: aber das wäre Anlass, sich wirklich Sorgen zu machen!

Bis dahin mag die Regierung den Unternehmen hier und da das Leben schwer machen und die rein chinesischen Hersteller protegieren. Ein wirklich tiefer Eingriff wir nicht erfolgen, dazu ist das Autogeschäft längst viel zu groß.

Ich bin sicher, dass der Kampf um die Vorherrschaft im chinesischen Automarkt auf mittlere und längere Sicht über das Personal entschieden wird: Wer für die besten Chinesen – Fachleute, Führungskräfte und Topmanager – attraktiver ist und wer sich erfolgreicher um sie bemüht, wird am Ende gewinnen. Sie sind die knappste Ressource in diesem Spiel, aber ihre Bedeutung wird von vielen unterschätzt.

Den internationalen Unternehmen möchte man raten, die guten Zeiten zu nutzen und intensiv an der Verbesserung ihrer Managementstrukturen zu arbeiten – auch wenn es noch so mühsam ist!

 

(Kommentar zu einem aktuellen Artikel, in dem sich das Manager Magazin in seiner jüngsten Ausgabe um die Zukunft der deutschen Autobauer in China sorgt.)

Interview mit Asien Business Manager Han Zou

Han Zou ist Anfang 30, verheiratet. Sie ist seit rund zehn Jahren in Deutschland, hat in China und Deutschland studiert und arbeitet derzeit für ein deutsches mittelständisches Unternehmen der Maschinenbauindustrie im Bereich Vertrieb und Geschäftsentwicklung als Asien Business Manager. Hauptaufgabe ist der Auf- und Ausbau der asiatischen Niederlassungen.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied im Denken und Handeln von Deutschen und Chinesen?

Grundsätzlich beachten die Deutschen viel mehr die Regeln als die Chinesen. Die Chinesen sind zielorientierter und flexibler. In China stehen die Leute unter stärkerem sozialem Druck und Gruppenzwang als in Deutschland.

Die Chinesen legen mehr Wert auf Ausbildung. Die Deutschen legen hingegen mehr Wert auf Individualität.

Nachdem Sie hier seit zehn Jahren leben, was ist aus Ihrer Sicht der markanteste Unterschied zwischen den beiden Lebensarten?

Deutschland ist ein sehr schönes und grünes Land. Man achtet sehr auf die Umwelt. Bezüglich des Lebenstils kann man sagen, dass die Deutschen sehr naturverbunden sind. Auch werden abends die Städte deutlich ruhiger als dies in China der Fall ist.

Bezüglich der Verbindung zwischen den Menschen ist das „Guanxi“ in China im Vergleich zum deutschen „Vitamin B“ deutlich weiter verbreitet und entwickelt und die menschliche Beziehung ist oft wichtiger als fachliche Details. Wenn man in China „Guanxi“ (Verbindungen, Kontakte) hat, dann ist alles viel einfacher.

Verfolgt man eine Vertriebskarriere in China, wird man dort nahezu jeden Abend mit Kunden unterwegs sein, beispielsweise mit ihnen Essen gehen oder auch mal eine Karaoke-Bar besuchen, um von diesen Aufträge zu bekommen. Häufig kommen Vertriebsleute in China spät nach Hause. In Deutschland geschieht dies alles viel maßvoller.

Was wären Ihrer Meinung nach interessante Kandidaten für deutsche Unternehmen, die in China aktiv werden möchten?

Deutsche Unternehmen müssen für ihre Chinaaktivitäten vor allem Leute finden, die den chinesischen Markt, die Wünsche der Kunden, die Größe des gesamten Marktes und die Chancen, wie groß “das Stück vom Kuchen“ für das Unternehmen werden kann etc., verstehen.

Für den Anfang brauchen dieses Unternehmen einen starken und kompetenten Kandidaten, der die relevanten Informationen aus vielen Kanälen sammeln kann.

Mit den falschen Kandidaten riskiert man schon zu Beginn seinen Ruf zu schädigen, was das Unternehmen vielleicht niemals mehr kompensieren kann.

Sollte diese Person aus Ihrer Sicht ein Deutscher oder ein Chinese sein?

Am besten wäre ein Chinese, der den lokalen Markt kennt. Sofern das Unternehmen keinen passenden chinesischen Kandidaten findet, wäre natürlich auch ein deutscher Kandidat möglich. Dessen Verantwortlichkeit für das gesamte China-Geschäft wäre aber ein Risiko für das Unternehmen.

Allerdings kann auch ein Chinese der lange Jahre in Deutschland gelebt hat nicht perfekt geeignet sein, da er die aktuellen Marktverhältnisse im heutigen China nicht mehr so gut kennt. Dann braucht er mehr Anlaufzeit.

Allgemein würde ich sagen, dass ausländische Unternehmen zum Erkunden eines neuen Marktes auf jeden Fall einen lokalen Kandidaten benötigen. Für den chinesischen Markt haben Chinesen, die sowohl den deutschen, als auch den chinesischen Markt kennen, echte Vorteile.

Einige deutsche Unternehmen sagen jedoch, dass man für den Markteintritt in China nicht unbedingt Chinesen benötigt hätte bzw. sie klagen, dass auch diese mitunter nicht den erhofften Erfolg gebracht haben.

Ich denke, dass diese Unternehmen schlicht nicht den richtigen Chinesen gefunden haben. Der Idealkandidat versteht sowohl den lokalen Markt als auch die relevante Industrie. Einen Chinesen einzustellen, der diese Anforderungen nicht vollständig erfüllt, ist damit ein Risiko.

Welche Kriterien sind Ihrer Meinung nach zu berücksichtigen wenn ein deutsches Unternehmen den richtigen Kandidaten finden will?

Zunächst einmal muss das Studium bzw. die fachliche Qualifikation stimmen. Ebenso muss natürlich die Fähigkeit vorhanden sein, den neuen Markt zu sondieren und einzuschätzen. Zuletzt sind die entsprechenden kommunikativen Fähigkeiten und der gewinnende Umgang in Fragen der PR und mit behördlichen Fragestellungen von hoher Relevanz.

Die meisten Unternehmen benötigen in der Anfangsphase zur Marktsondierung einen Kandidaten mit starkem Vertriebscharakter und keinen reinen Controller oder Ingenieur.

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund warum Chinesen in China öfter den Job wechseln als dies Chinesen in Deutschland tun? Sind Erstere weniger loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber?

Es gibt sicherlich viele Gründe, ich sehe jedoch keine direkte Verbindung zur Loyalität eines Arbeitnehmers.

Tatsächlich ist es so, dass viele Chinesen, die bei einem deutschen Unternehmen anfangen, mitunter sehr lange dort arbeiten. Dies liegt einerseits daran, dass es für Chinesen hier nicht so viele bessere Angebote gibt als beispielsweise in China. Sofern ein Angebot nicht deutlich besser ist, entscheiden sich viele dafür zunächst weiter im aktuellen Unternehmen zu bleiben und abzuwarten.

Andererseits liegt es aber auch am Charakter der Chinesen hier. Viele mögen einen sehr sicheren und stabilen Lebensstil und suchen nicht ständig neue Herausforderungen. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Chinesen die hier jüngere Kinder haben, dann nicht mehr so flexibel hinsichtlich eines Jobwechsels sind und wegen den Schulverpflichtungen der Kinder ungern die Stadt oder die Region wechseln.

Fühlen Sie sich in Deutschland zu Hause?

Ja, dieses Gefühl habe ich inzwischen. Ich fühle mich diesem Land durchaus zugehörig.

Haben Sie in Ihrem Freundeskreis mehr deutsche oder mehr chinesische Freunde?

Das ist fast ausgeglichen. Wenn ich eine Party am Wochenende veranstalte, sind das meist zwei Abende. Einer für meine deutschen Freunde und einer für meine chinesischen Freunde.

Warum nicht zusammen?

Sie gehören zu verschiedenen Freundeskreisen.

Mögen Sie die lokale Küche?

Ja ich mag sie durchaus. Meinem Gefühl nach wird hier viel Fleisch gegessen und das entspricht sehr meinen persönlichen Essensvorlieben.

Ich esse täglich in der Kantine unseres Unternehmens zu Mittag. Das ist nicht hundertprozentig nach meinem Geschmack, aber alles in allem doch sehr akzeptabel.

Viele Chinesen entscheiden sich dafür, sich nicht in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Wie sehen Sie das?

Ich denke, dass ist nicht gut. Wenn man in diesem Land lebt, sollte man auch versuchen seine Kultur und seinen Lebensstil zu übernehmen. Ob man das dann mag ist eine andere Sache, aber man sollte es zumindest versucht haben.

Ich kenne einige Leute aus China, die von ihrem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt wurden oder hier auf Geschäftsreise sind. Ihre Einstellung ist nicht sehr offen gegenüber anderen Kulturen und sie bevorzugen es in ihren chinesischen Freundeskreisen zu bleiben. Sie versuchen nicht einmal richtig die deutsche Kultur kennen zu lernen.

Warum sind Sie so offen? Hatte irgendjemand oder irgendetwas einen besonderen Einfluss auf Sie?

Mein Charakter ist schlicht sehr extravertiert, ich mag es sehr neue Dinge auszuprobieren und mit Menschen in Kontakt zu kommen.

Das liegt wohl auch daran, dass ich in meiner bisherigen Karriere im Bereich Vertrieb viele Menschen kennengelernt habe, die ebenfalls sehr extravertiert und offen sind. Dies hat natürlich auch meinen Charakter geformt.

Würde man mich in eine Entwicklungsabteilung stecken, wäre das kaum die richtige Entscheidung.

Verfolgen Sie die aktuellen Diskussionen und Themen in den deutschen Medien?

Das mache ich natürlich nicht in dem Maße wie dies die Einheimischen tun, d.h.  größere Themen verfolge ich auch, aber nicht jede kleine lokale Neuigkeit. Da mein Mann auch Chinese ist behalten wir einige chinesische Lebensansichten bei, so dass wir uns nicht vollständig anpassen werden.

Was wird von Deutschland bleiben bzw. was würden Sie vermissen wenn Sie vielleicht eines Tages wieder nach China gehen?

Deutschland ist sehr schön. Die Leute in meiner Umgebung sind sehr nett, freundlich zu Ausländern und sie respektieren mich als Person. Ich lebe hier seit zehn Jahren und habe hier einige gute Freunde gefunden. Wenn ich nach China zurück gehe würde ich diese sicherlich sehr vermissen.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Han Zou“ wurde von der Redaktion geändert

Interview mit RW-Leiterin Jie Chen

Jie Chen ist Mitte 30 und stammt aus Shanghai. Sie wohnt in Berlin und ist bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Studiert hat sie in China und Deutschland, Arbeitserfahrungen sowohl in Deutschland als auch in den USA gesammelt. Derzeit ist Jie Chen bei einem großen europäischen Verkehrsunternehmen als Leiterin des Rechnungswesen tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Im Interview mit Wei Fischer erzählt sie über ihre Erfahrungen als erfolgreiche Führungskraft, Mutter und Chinesin in Deutschland.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen Deutsch zu lernen als Sie noch recht jung waren?

Das war mehr oder weniger ein Zufall. Als ich die 6. Klasse der Grundschule besuchte, wurde ich von der Schule für die Teilnahme an der Aufnahmeprüfung der Shanghaier Fremdsprachenmittelschule ausgewählt. Ich bestand die Prüfung und kam in die Klasse, wo Deutsch, Französisch, Japanisch und Russisch als Fremdsprachen angeboten wurden.

Was ist Ihr bisheriger Eindruck von Deutschland?

Deutschland ist ein sehr schönes und grünes Land. Man achtet sehr auf die Umwelt, wovon alle lernen sollten. Man hat Freiheit und kann auch ohne eine Hochschulausbildung ein gutes Leben führen – das ist ganz anders als in China.

Alles hat seine Ordnung, was auch gut ist. Jedoch führt diese Ordnungsliebe manchmal auch zu einer sehr versteiften und unflexiblen Haltung, wodurch die ursprüngliche Zielsetzung nicht erreicht werden kann.

Ihre Karriere verlief bisher sehr erfolgreich und reibungslos. Was war die größte Schwierigkeit mit der Sie in Ihrer bisherigen Karriere konfrontiert wurden?

Größere und kleinere Schwierigkeiten gibt es überall im Leben. Ich sehe dies immer als Herausforderung. Die schwierigsten Entscheidungen und Herausforderungen waren bislang für mich, eine gut bezahlte und aussichtsreiche Stelle aufzugeben um neue berufliche Herausforderungen in einem fremden Unternehmen bzw. Land aufzunehmen.

Die Entscheidung in die USA zu gehen fiel mir nicht leicht, da meine Karriere in Deutschland damals gerade erst startete. Ebenso schwer war die Entscheidung zurück nach Deutschland zu kommen, da ich in den amerikanischen Unternehmen zweimal in acht Monaten befördert wurde.

Momentan stehe ich wieder vor so einer Entscheidung. Letztendlich ist es wichtig, dass man seine Ziele im Auge behält und sich selbst treu bleibt. Fleiß und schnelle Lernfähigkeit zählen zu den Grundlagen im Leben.

In Deutschland erreichen nur wenige Frauen eine Leitungsposition. Denken Sie, das liegt an dem generellen beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld oder an anderen Gründen?

Ich finde, dass viel mehr Frauen in den letzten Jahren Leitungsfunktionen ausüben als dies noch vor 7 oder 8 Jahren der Fall war. Die Tendenz ist erfreulich.

Der Hintergrund dieser Erscheinung hat meines Erachtens seine Wurzel in der Vergangenheit. In der Entscheidung der Frauen selbst und gewiss auch in der Entscheidung mancher Führungspersonen und der Haltung der nahestehenden Personen, wie Eltern, Partner und Freunde, um die Frauen herum.

Jedoch fühlte ich mich persönlich nie benachteiligt. Es ist immer eine Sache der Selbst- und Fremdeinschätzung.

Was halten Sie von der aktuell in Deutschland diskutierten und von der EU vorgeschlagenen Frauenquote? Befürworten Sie diese?

Das ist ein viel diskutiertes Thema. Ich bin gegen eine Regelung durch eine Quote. Das ist meines Erachtens ein Riesenrückschritt in der Emanzipation der Frauen. Dadurch werden gute und weniger gute Leistungen einzelner Frauen verallgemeinert.

Was geändert werden müsste, sind die Haltungen der Frauen und ihrer Mitmenschen. Das ist aber natürlich keine Sache, die von heute auf morgen und auch nicht innerhalb den nächsten zehn Jahren zu ändern ist, sondern ein Projekt für mehrere Generationen. Ich bin jedoch sehr zuversichtlich, dass es so kommen wird.

Denken Sie, dass Frauen nach der Geburt durch den Arbeitgeber und die Gesellschaft stärker unterstützt werden sollten? Beispielsweise hinsichtlich der Ermöglichung von Teilzeitarbeit oder Home-Work, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.

Ich kenne viele Unternehmen, die solche Möglichkeiten anbieten. Das ist sehr positiv. Mit der Entwicklung der Technik ist vernetztes Arbeiten von Zuhause aus einfacher als vor 20 Jahren. Man mus natürlich auch akzeptieren, dass einige Positionen weniger geeignet sind für solche Arbeitsweisen.

Ich möchte jedoch auch zu Bedenken geben, dass man diese Fragestellung meist nur an Frauen richtet. Man sollte vielmehr auch Männern die Möglichkeit einräumen, zur Nachwuchs-Betreuung Teilzeit oder Homeoffice vereinbaren zu dürfen.

Es ist immer noch für zu viele Vorgesetzte „überraschend“, wenn Männer um 16 Uhr die Kinder abholen gehen. Viele Männer bringen daher die Kinder lieber morgens zur Kita oder Schule als diese abends abzuholen.

Und das ist genau das, was ich eben gemeint habe mit Haltung der Mitmenschen um die Frauen herum.

Ich bin eine sehr glückliche Frau, weil ich die volle Unterstützung von meinen Eltern, meinem Ehemann und meiner Kinder bekommen habe. Die Haltung meiner Mitmenschen hat mir auch meine bisherige Karriere ermöglicht.

Denken Sie, dass es für Ihre Karriere von Vor- oder Nachteil ist, dass Sie eine Ausländerin sind?

Gewiss könnte es eine Rolle spielen. Jedoch sind Persönlichkeit und Fähigkeiten viel wichtiger als die Nationalität. Manchmal ist eine fremde Nationalität sogar ein Vorteil, weil man viel mehr bewundert wird, wenn man die gleiche Leistung wie die Muttersprachler bringen kann.

Ich empfand meine ausländische Identität persönlich bislang immer als einen Bonuspunkt.

Ist Ihnen eine erfolgreiche Karriere sehr wichtig? Familie oder Karriere, was ist für Sie wichtiger?

Ich bin zuerst ein Mensch, erst dann eine Frau, Mutter und Tochter. Eine erfolgreiche Karriere ist wichtig. Meine Familie ist mir wichtig.

Ich respektiere alle Frauen, die ihre ganze Kraft Familie und Kindern widmen, weil das die Entscheidung eines Menschen ist. Genauso respektiere ich jedoch auch alle Frauen, die ihre ganze Kraft der Karriere widmen.

Eine Familie zu führen beinhaltet genauso viele Herausforderungen wie eine berufliche Karriere. Ein Kind zu einem aufrichtigen, anständigen, glücklichen und der Gesellschaft nützlichen Menschen zu erziehen, der selbst wiederum gute Werte an seine Kinder weitergeben kann, ist mindestens so bedeutend wie ein erfolgreiches Unternehmen zu führen. Das ist auch der Wert, den ich meinen Kindern vermitteln möchte.

Ich bin fest überzeugt, dass meine Karriere und meine Familie sich gegenseitig unterstützen. Ohne Unterstützung der Familie kann ich mich beruflich nicht weiterentwickeln. Ohne beruflichen Erfolg kann ich nicht glücklich meine Weltanschauung und meine Werte an meine Kinder weitergeben.

Es gibt natürlich Tage, an denen ich die Familie der Karriere vorziehe. Es gibt aber genauso Tage, wo ich mich auf die Karriere konzentriere. Ich mache mir mindestens genauso viele Gedanken um meine Familie, insbesondere hinsichtlich der Planung der Kindererziehung, wie um meinen Beruf.

Die Kunst ist Familie und Karriere in Balance zu bringen bzw. genug Selbstvertrauen zu haben, um zu wissen, wann man welche Seite vorziehen muss. Entscheidend ist vorausschauend zu bleiben, um Engpässe und Konflikte zu vermeiden. Das ist im Privaten genauso wichtig wie im Beruflichen.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied im Denken und Handeln von Deutschen und Chinesen?

Grundsätzlich beachten die Deutschen viel mehr die Regeln als die Chinesen. Die Chinesen sind zielorientierter und flexibler. In China stehen die Leute unter stärkerem sozialem Druck und Gruppenzwang als in Deutschland.

Die Chinesen legen mehr Wert auf Ausbildung. Die Deutschen legen hingegen mehr Wert auf Individualität.

Man sollte beim Blick auf China auf jeden Fall die Größe des Landes und das Potential berücksichtigen. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Grundlagen weiterentwickeln, wird es in 10 – 15 Jahren viel mehr erfolgreiche chinesische Persönlichkeiten und chinesische Unternehmen in absoluter Zahl geben, weil die Grundgesamtheit einfach viel größer ist.

Somit ist es umso wichtiger, dass es ein gegenseitiges Vertrauen und Verständnis geben sollte.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Jie Chen“ wurde von der Redaktion geändert.

Keine Angst vor China

Das Bild von der „gelben Gefahr“ ist in den deutschen Köpfen eigenartig tief verankert – und keineswegs nur bei der älteren Generation. Der Spiegel hat es vor einigen Jahren mit einer untypisch abstrusen Titelgeschichte über die „gelben Spione“ wieder aufgenommen. Danach wollte angeblich der chinesische Staat – quasi in Stasi-Manier – die weltweit verteilten Auslandschinesen als Wirtschaftsagenten nutzen.

Selten ist im Spiegel ein solcher Unfug veröffentlicht worden – und doch hat auch diese Geschichte bis heute in vielen Köpfen ihre Spuren hinterlassen.

Aber ich frage mich: Von wem sollte diese Gefahr ausgehen? Von der schieren Masse der Menschen?

Die Menschen sind zwar in der Tat zahlreich, aber gerade deshalb mit ihrem täglichen Überlebenskampf beschäftigt. Auch in der größer werdenden Mittelschicht gibt es wenig Zeit und Muße, sich mit imperialen Phantasien zu befassen.

Im Gegenteil ist das Denken der Chinesen stark nach innen gerichtet. Und die Folgen der konsequenten Ein-Kind-Politik sind schon zu besichtigen: Die absolute Zahl der Arbeitskräfte nimmt ab, es rücken weniger nach als aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dadurch ist der Druck auf die relativ wenigen jungen Menschen enorm.

Typischerweise muss sich ein junges Paar ohne Geschwisterentlastung um vier alternde Elternteile kümmern, in einem harten Wettbewerb das eigene Fortkommen organisieren und nebenbei auch noch eine eigene Familie gründen und versorgen. Ein Vorhaben, das heute in der Mittelschicht meist mit der Beschaffung einer kleinen und trotzdem fast unbezahlbaren Wohnung beginnt.

Diese Menschen sind fleißig, lern- wie leistungswillig und oft auch ungeheuer belastbar. Aber eine Gefahr für Europa bilden sie nicht.

Ist die Ursache der Gefahr also eher in einem relativ skrupellosen Regime zu finden?

Die Regierung ist – verglichen mit ihrem Volk – wesentlich stärker international interessiert. Das ist wohl war. Die außenpolitischen Machtansprüche und das Streben nach Einfluss in internationalen Gremien sind unübersehbar.

Aber auch hier stimmen die meisten Beobachter überein, dass das wichtigste Ziel des selbstbewussten Auftritts und alles Denkens und Handels letztlich der Macherhalt im eigenen Land ist. Die Regierung hat definiert, dass sie ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens 8% braucht, um nachhaltig eine friedliche Weiterentwicklung des Landes organisieren zu können.

Und dazu werden die Wege zu Rohstoffquellen in Afrika ebenso konsequent gesichert wie an einer Verbreiterung und Diversifizierung der Auslandsinvestitionen gearbeitet wird. Jedoch nicht mit dem Ziel, Daimler Benz zu beherrschen, sondern um Zugänge zu neuen Technologien zu schaffen und möglichst viele Investitionen ins eigene Land zu lenken.

Das chinesische Regime hat den Vorteil, dass es seine Planungen nicht durch parlamentarische Mühlen schicken muss, die mitunter aus einem guten Konzept ein Sammelsurium schlechter Kompromisse macht und sicher eine kontinuierliche Industriepolitik enorm erschweren.

Aber es hat auch die Nachteile der fehlenden Transparenz zu tragen: Insbesondere die Korruption auf allen Ebenen der eigenen Reihen und die unangemessen hohe Bedeutung von Beziehungen gegenüber Leistungsvermögen und Wissen in allen Lebensbereichen. Für wirtschaftliche Erfolge im internationalen Wettbewerb auf Topniveau sind diese Probleme reines Gift.

Oder geht die viel beschworene „gelbe Gefahr“ von einer dominierenden Wirtschaft aus?

Von einer global erfolgreichen chinesischen Wirtschaft ist weit und breit nichts zu sehen. Die Staatsunternehmen sind auch mittelfristig absolut außerstande, in großem Stil zu exportieren.

Im privaten oder halbprivaten Bereich gibt zwar einzelne Erfolgsgeschichten wie die von Huawei, die auf sehr speziellen Bedingungen (in dem Fall vor allem auch der Finanzierung) beruhen. Es sind aber nicht die geringsten Anzeichen dafür zu finden, dass irgendwo ein chinesischer Samsung oder Hyundai im Anmarsch wäre. Dazu fehlt es an der Technologie und der Prozesssicherheit zur Entwicklung komplexer Produkte. Ebenso wie vielerorts am Prozess Know-how in der Fertigung.

Vor allem anderen aber ist das ganze Thema der Entwicklung und Führung internationaler Marken noch weit von der Weltspitze entfernt. Natürlich werden einige hervorragende chinesische Unternehmer in relativ kurzer Zeit den Sprung auf die globalen Märkte auch mit eigenen Marken schaffen. Aber der Vorsprung des Westens sowie der Japaner und der Koreaner ist ebenso groß wie die Hürden für die Chinesen vielfältig sind.

Daran ändert auch die eher vereinzelte Übernahme deutscher Mittelständler durch chinesische Investoren nichts. Diese Projekte haben im Gesamtmaßstab doch eher Signalcharakter als wirtschaftliche Bedeutung. Und der Weg, aus einem ordentlichen Mittelständler eine weltweite Marke zu machen, ist weit.

Fazit

Ein Aktienpaket von Daimler Benz in chinesischen Händen mag das deutsche Selbstverständnis irritieren – ebenso wie der Einstieg der Araber vor vielen Jahren. Aber gerade dieser Vergleich beweist: Ein solcher Vorgang zeigt, dass der Erwerber viel Geld hat und das er den Kauf für ein gutes Investment hält. Viel mehr zeigt er nicht – schon gar nicht, dass wir jetzt alle in Angst vor der „gelben Gefahr“ aus China leben müssen.

Über gute und schlechte Immigranten

Als ich 1981 in München eine Wohnungsanzeige aufgegeben habe, um meine entstehende Familie zu behausen, gab es eine einzige Zuschrift; die Wohnung war toll, die Vermieterin war münchnerisch, mütterlich und nett; das zu erwartende Kind eine Freude und kein Problem (für die Vermieterin). Zum Ende der Besichtigung (ohne die schwangere Mutter) habe ich gesagt, ich müsse korrekterweise noch mitteilen, dass meine Frau Ausländerin sei; die Gesichtsfarbe wechselte von rosig zu aschfahl, in den Augen kam leise Panik auf; sie komme aus England; große Erleichterung, großes Gelächter: „Das sind ja keine richtigen Ausländer“!

Daran hat sich nichts geändert; wir lassen mal die weniger als 10% Verstandfreien, für die alle „Migranten“ unbekannt und deshalb unerträglich sind, aussen vor; dann gibt es gute Ausländer, neutrale, erträgliche, schlechte und ganz schlechte; helle Hautfarbe und Haare helfen, sind aber nur ein Kriterium; Polen haben es auch in blond nicht leicht, Japaner oder Thailänder sind eher exotisch als positiv oder negativ zugeordnet; Amerikaner sind überwiegend geschätzt solange sie nicht allzu schwarz sind und Schweizer und Österreicher kommen ohnehin nur nach Deutschland, wenn es für sie attraktiv ist; was wir mit den Schweden Larsson (dunkelhäutig) und Ibrahimovic (langhaarig) anfangen würden, wenn sie keine erfolgreichen Fußballer wären, ist allerdings offen. Diese Grautöne sind Folgen der Globalisierung und komplizieren das Vorurteil als solches in lästiger Weise.

Ein interessanter Fall sind die Chinesen. Davon gibt es in Deutschland rund 50 Tausend und sofern sie nicht der Gastronomie zuzurechnen sind, handelt es sich fast ausschließlich um Akademiker; diese Menschen berichten fast nie, dass sie sich in Deutschland unfreundlich aufgenommen fühlen; häufig studieren sie hier und tun sich – jedenfalls die Männer- schwer mit der Partnersuche; das ist aber keine Diskriminierung, sondern Folge der Vorliebe deutscher Frauen bei der Partnerwahl: Kriterium 1 und 2: Größe (Länge), Platz 3: kantige Gesichter. Beides haben die Chinesen meist nicht zu bieten. Aber als Arbeitskräfte sind durchaus gefragt: oft sehr gut ausgebildet als Ingenieure oder Informatiker, überdurchschnittlich intelligent, einsatzfreudig, fleißig und relativ preiswert; sie sind gut geeignet, in Zeiten des Fachkräftemangels zuverlässig die nicht so aufregenden Projekte abzuarbeiten und davon macht die Wirtschaft durchaus Gebrauch.

Das meist etwas niedrigere Einkommen der chinesischen Akademiker ist auch keine Diskriminierung, sondern markttechnische Folge der Bewertungen deutscher Arbeitgeber: Dort werden in aller Regel die gute Beherrschung der (deutschen) Sprache, ein europäisch selbstbewusster Auftritt einschließlich einer geschickten Selbstdarstellung und ein schnelles Erfassen aller ungeschriebenen Firmenregeln höher eingeschätzt als eine Extraportion Leistungswille und Leistungsfähigkeit. Wenn man sieht, wie etwa im Business Fußball die Erfolgreichen weite Wege gehen, um durch Vielfalt im Team die letzten 10% Leistungspotential zu erschließen, drängt sich der Gedanke auf, dass diese Bewertung wahrscheinlich falsch ist. Aber die meisten deutschen Unternehmen kommen (noch) ohne die letzten 10% gut zurecht und so wird sich das nur langsam ändern.

Die chinesischen Akademikern fallen als Migranten eher in die neutrale Kategorie. Sie sind im Ausbildungslevel hoch angesiedelt sind und bringen eine kulturelle Kompetenz mit, die für die meisten deutschen Unternehmen geschäftlich interessanter ist als die Kenntnis etwa der bosnischen, portugiesischen oder türkischen Kultur. Sie sind also eine relativ attraktive Gruppe. Es kann dann nicht verwundern, dass Migranten als Gesamtheit im Durchschnitt für vergleichbare Tätigkeiten weniger verdienen. Neben den Gewerkschaften regelt in Deutschland der Markt die Einkommenshöhe. Eine langsame Angleichung wird über die Jahre erfolgen, je mehr die Unternehmen den Wert von vielfältigen Charakteren und Einflüssen für die Gesamtteamleistung erkennen – insbesondere in globalen Märkten. Ein Sonderangebot – und das sind die talentierten Migranten- bleibt im Wettbewerb auf Dauer nicht unentdeckt – zumal es bei dieser Form von „Diversität“ keine Ausfallzeiten durch Mutterschutz und Erziehungsurlaub gibt. Das bedeutet natürlich auch, dass es im Bereich der weniger Qualifizierten auf Dauer Unterschiede geben wird, weil die kulturelle Kompetenz eines Maschinenführers in der Produktion sich nur sehr mittelbar in wirtschaftlichen Erfolg umsetzen lässt.