Interview mit Asien Business Manager Han Zou

Han Zou ist Anfang 30, verheiratet. Sie ist seit rund zehn Jahren in Deutschland, hat in China und Deutschland studiert und arbeitet derzeit für ein deutsches mittelständisches Unternehmen der Maschinenbauindustrie im Bereich Vertrieb und Geschäftsentwicklung als Asien Business Manager. Hauptaufgabe ist der Auf- und Ausbau der asiatischen Niederlassungen.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied im Denken und Handeln von Deutschen und Chinesen?

Grundsätzlich beachten die Deutschen viel mehr die Regeln als die Chinesen. Die Chinesen sind zielorientierter und flexibler. In China stehen die Leute unter stärkerem sozialem Druck und Gruppenzwang als in Deutschland.

Die Chinesen legen mehr Wert auf Ausbildung. Die Deutschen legen hingegen mehr Wert auf Individualität.

Nachdem Sie hier seit zehn Jahren leben, was ist aus Ihrer Sicht der markanteste Unterschied zwischen den beiden Lebensarten?

Deutschland ist ein sehr schönes und grünes Land. Man achtet sehr auf die Umwelt. Bezüglich des Lebenstils kann man sagen, dass die Deutschen sehr naturverbunden sind. Auch werden abends die Städte deutlich ruhiger als dies in China der Fall ist.

Bezüglich der Verbindung zwischen den Menschen ist das „Guanxi“ in China im Vergleich zum deutschen „Vitamin B“ deutlich weiter verbreitet und entwickelt und die menschliche Beziehung ist oft wichtiger als fachliche Details. Wenn man in China „Guanxi“ (Verbindungen, Kontakte) hat, dann ist alles viel einfacher.

Verfolgt man eine Vertriebskarriere in China, wird man dort nahezu jeden Abend mit Kunden unterwegs sein, beispielsweise mit ihnen Essen gehen oder auch mal eine Karaoke-Bar besuchen, um von diesen Aufträge zu bekommen. Häufig kommen Vertriebsleute in China spät nach Hause. In Deutschland geschieht dies alles viel maßvoller.

Was wären Ihrer Meinung nach interessante Kandidaten für deutsche Unternehmen, die in China aktiv werden möchten?

Deutsche Unternehmen müssen für ihre Chinaaktivitäten vor allem Leute finden, die den chinesischen Markt, die Wünsche der Kunden, die Größe des gesamten Marktes und die Chancen, wie groß “das Stück vom Kuchen“ für das Unternehmen werden kann etc., verstehen.

Für den Anfang brauchen dieses Unternehmen einen starken und kompetenten Kandidaten, der die relevanten Informationen aus vielen Kanälen sammeln kann.

Mit den falschen Kandidaten riskiert man schon zu Beginn seinen Ruf zu schädigen, was das Unternehmen vielleicht niemals mehr kompensieren kann.

Sollte diese Person aus Ihrer Sicht ein Deutscher oder ein Chinese sein?

Am besten wäre ein Chinese, der den lokalen Markt kennt. Sofern das Unternehmen keinen passenden chinesischen Kandidaten findet, wäre natürlich auch ein deutscher Kandidat möglich. Dessen Verantwortlichkeit für das gesamte China-Geschäft wäre aber ein Risiko für das Unternehmen.

Allerdings kann auch ein Chinese der lange Jahre in Deutschland gelebt hat nicht perfekt geeignet sein, da er die aktuellen Marktverhältnisse im heutigen China nicht mehr so gut kennt. Dann braucht er mehr Anlaufzeit.

Allgemein würde ich sagen, dass ausländische Unternehmen zum Erkunden eines neuen Marktes auf jeden Fall einen lokalen Kandidaten benötigen. Für den chinesischen Markt haben Chinesen, die sowohl den deutschen, als auch den chinesischen Markt kennen, echte Vorteile.

Einige deutsche Unternehmen sagen jedoch, dass man für den Markteintritt in China nicht unbedingt Chinesen benötigt hätte bzw. sie klagen, dass auch diese mitunter nicht den erhofften Erfolg gebracht haben.

Ich denke, dass diese Unternehmen schlicht nicht den richtigen Chinesen gefunden haben. Der Idealkandidat versteht sowohl den lokalen Markt als auch die relevante Industrie. Einen Chinesen einzustellen, der diese Anforderungen nicht vollständig erfüllt, ist damit ein Risiko.

Welche Kriterien sind Ihrer Meinung nach zu berücksichtigen wenn ein deutsches Unternehmen den richtigen Kandidaten finden will?

Zunächst einmal muss das Studium bzw. die fachliche Qualifikation stimmen. Ebenso muss natürlich die Fähigkeit vorhanden sein, den neuen Markt zu sondieren und einzuschätzen. Zuletzt sind die entsprechenden kommunikativen Fähigkeiten und der gewinnende Umgang in Fragen der PR und mit behördlichen Fragestellungen von hoher Relevanz.

Die meisten Unternehmen benötigen in der Anfangsphase zur Marktsondierung einen Kandidaten mit starkem Vertriebscharakter und keinen reinen Controller oder Ingenieur.

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund warum Chinesen in China öfter den Job wechseln als dies Chinesen in Deutschland tun? Sind Erstere weniger loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber?

Es gibt sicherlich viele Gründe, ich sehe jedoch keine direkte Verbindung zur Loyalität eines Arbeitnehmers.

Tatsächlich ist es so, dass viele Chinesen, die bei einem deutschen Unternehmen anfangen, mitunter sehr lange dort arbeiten. Dies liegt einerseits daran, dass es für Chinesen hier nicht so viele bessere Angebote gibt als beispielsweise in China. Sofern ein Angebot nicht deutlich besser ist, entscheiden sich viele dafür zunächst weiter im aktuellen Unternehmen zu bleiben und abzuwarten.

Andererseits liegt es aber auch am Charakter der Chinesen hier. Viele mögen einen sehr sicheren und stabilen Lebensstil und suchen nicht ständig neue Herausforderungen. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Chinesen die hier jüngere Kinder haben, dann nicht mehr so flexibel hinsichtlich eines Jobwechsels sind und wegen den Schulverpflichtungen der Kinder ungern die Stadt oder die Region wechseln.

Fühlen Sie sich in Deutschland zu Hause?

Ja, dieses Gefühl habe ich inzwischen. Ich fühle mich diesem Land durchaus zugehörig.

Haben Sie in Ihrem Freundeskreis mehr deutsche oder mehr chinesische Freunde?

Das ist fast ausgeglichen. Wenn ich eine Party am Wochenende veranstalte, sind das meist zwei Abende. Einer für meine deutschen Freunde und einer für meine chinesischen Freunde.

Warum nicht zusammen?

Sie gehören zu verschiedenen Freundeskreisen.

Mögen Sie die lokale Küche?

Ja ich mag sie durchaus. Meinem Gefühl nach wird hier viel Fleisch gegessen und das entspricht sehr meinen persönlichen Essensvorlieben.

Ich esse täglich in der Kantine unseres Unternehmens zu Mittag. Das ist nicht hundertprozentig nach meinem Geschmack, aber alles in allem doch sehr akzeptabel.

Viele Chinesen entscheiden sich dafür, sich nicht in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Wie sehen Sie das?

Ich denke, dass ist nicht gut. Wenn man in diesem Land lebt, sollte man auch versuchen seine Kultur und seinen Lebensstil zu übernehmen. Ob man das dann mag ist eine andere Sache, aber man sollte es zumindest versucht haben.

Ich kenne einige Leute aus China, die von ihrem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt wurden oder hier auf Geschäftsreise sind. Ihre Einstellung ist nicht sehr offen gegenüber anderen Kulturen und sie bevorzugen es in ihren chinesischen Freundeskreisen zu bleiben. Sie versuchen nicht einmal richtig die deutsche Kultur kennen zu lernen.

Warum sind Sie so offen? Hatte irgendjemand oder irgendetwas einen besonderen Einfluss auf Sie?

Mein Charakter ist schlicht sehr extravertiert, ich mag es sehr neue Dinge auszuprobieren und mit Menschen in Kontakt zu kommen.

Das liegt wohl auch daran, dass ich in meiner bisherigen Karriere im Bereich Vertrieb viele Menschen kennengelernt habe, die ebenfalls sehr extravertiert und offen sind. Dies hat natürlich auch meinen Charakter geformt.

Würde man mich in eine Entwicklungsabteilung stecken, wäre das kaum die richtige Entscheidung.

Verfolgen Sie die aktuellen Diskussionen und Themen in den deutschen Medien?

Das mache ich natürlich nicht in dem Maße wie dies die Einheimischen tun, d.h.  größere Themen verfolge ich auch, aber nicht jede kleine lokale Neuigkeit. Da mein Mann auch Chinese ist behalten wir einige chinesische Lebensansichten bei, so dass wir uns nicht vollständig anpassen werden.

Was wird von Deutschland bleiben bzw. was würden Sie vermissen wenn Sie vielleicht eines Tages wieder nach China gehen?

Deutschland ist sehr schön. Die Leute in meiner Umgebung sind sehr nett, freundlich zu Ausländern und sie respektieren mich als Person. Ich lebe hier seit zehn Jahren und habe hier einige gute Freunde gefunden. Wenn ich nach China zurück gehe würde ich diese sicherlich sehr vermissen.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Han Zou“ wurde von der Redaktion geändert

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