Keine Angst vor China

Das Bild von der „gelben Gefahr“ ist in den deutschen Köpfen eigenartig tief verankert – und keineswegs nur bei der älteren Generation. Der Spiegel hat es vor einigen Jahren mit einer untypisch abstrusen Titelgeschichte über die „gelben Spione“ wieder aufgenommen. Danach wollte angeblich der chinesische Staat – quasi in Stasi-Manier – die weltweit verteilten Auslandschinesen als Wirtschaftsagenten nutzen.

Selten ist im Spiegel ein solcher Unfug veröffentlicht worden – und doch hat auch diese Geschichte bis heute in vielen Köpfen ihre Spuren hinterlassen.

Aber ich frage mich: Von wem sollte diese Gefahr ausgehen? Von der schieren Masse der Menschen?

Die Menschen sind zwar in der Tat zahlreich, aber gerade deshalb mit ihrem täglichen Überlebenskampf beschäftigt. Auch in der größer werdenden Mittelschicht gibt es wenig Zeit und Muße, sich mit imperialen Phantasien zu befassen.

Im Gegenteil ist das Denken der Chinesen stark nach innen gerichtet. Und die Folgen der konsequenten Ein-Kind-Politik sind schon zu besichtigen: Die absolute Zahl der Arbeitskräfte nimmt ab, es rücken weniger nach als aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dadurch ist der Druck auf die relativ wenigen jungen Menschen enorm.

Typischerweise muss sich ein junges Paar ohne Geschwisterentlastung um vier alternde Elternteile kümmern, in einem harten Wettbewerb das eigene Fortkommen organisieren und nebenbei auch noch eine eigene Familie gründen und versorgen. Ein Vorhaben, das heute in der Mittelschicht meist mit der Beschaffung einer kleinen und trotzdem fast unbezahlbaren Wohnung beginnt.

Diese Menschen sind fleißig, lern- wie leistungswillig und oft auch ungeheuer belastbar. Aber eine Gefahr für Europa bilden sie nicht.

Ist die Ursache der Gefahr also eher in einem relativ skrupellosen Regime zu finden?

Die Regierung ist – verglichen mit ihrem Volk – wesentlich stärker international interessiert. Das ist wohl war. Die außenpolitischen Machtansprüche und das Streben nach Einfluss in internationalen Gremien sind unübersehbar.

Aber auch hier stimmen die meisten Beobachter überein, dass das wichtigste Ziel des selbstbewussten Auftritts und alles Denkens und Handels letztlich der Macherhalt im eigenen Land ist. Die Regierung hat definiert, dass sie ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens 8% braucht, um nachhaltig eine friedliche Weiterentwicklung des Landes organisieren zu können.

Und dazu werden die Wege zu Rohstoffquellen in Afrika ebenso konsequent gesichert wie an einer Verbreiterung und Diversifizierung der Auslandsinvestitionen gearbeitet wird. Jedoch nicht mit dem Ziel, Daimler Benz zu beherrschen, sondern um Zugänge zu neuen Technologien zu schaffen und möglichst viele Investitionen ins eigene Land zu lenken.

Das chinesische Regime hat den Vorteil, dass es seine Planungen nicht durch parlamentarische Mühlen schicken muss, die mitunter aus einem guten Konzept ein Sammelsurium schlechter Kompromisse macht und sicher eine kontinuierliche Industriepolitik enorm erschweren.

Aber es hat auch die Nachteile der fehlenden Transparenz zu tragen: Insbesondere die Korruption auf allen Ebenen der eigenen Reihen und die unangemessen hohe Bedeutung von Beziehungen gegenüber Leistungsvermögen und Wissen in allen Lebensbereichen. Für wirtschaftliche Erfolge im internationalen Wettbewerb auf Topniveau sind diese Probleme reines Gift.

Oder geht die viel beschworene „gelbe Gefahr“ von einer dominierenden Wirtschaft aus?

Von einer global erfolgreichen chinesischen Wirtschaft ist weit und breit nichts zu sehen. Die Staatsunternehmen sind auch mittelfristig absolut außerstande, in großem Stil zu exportieren.

Im privaten oder halbprivaten Bereich gibt zwar einzelne Erfolgsgeschichten wie die von Huawei, die auf sehr speziellen Bedingungen (in dem Fall vor allem auch der Finanzierung) beruhen. Es sind aber nicht die geringsten Anzeichen dafür zu finden, dass irgendwo ein chinesischer Samsung oder Hyundai im Anmarsch wäre. Dazu fehlt es an der Technologie und der Prozesssicherheit zur Entwicklung komplexer Produkte. Ebenso wie vielerorts am Prozess Know-how in der Fertigung.

Vor allem anderen aber ist das ganze Thema der Entwicklung und Führung internationaler Marken noch weit von der Weltspitze entfernt. Natürlich werden einige hervorragende chinesische Unternehmer in relativ kurzer Zeit den Sprung auf die globalen Märkte auch mit eigenen Marken schaffen. Aber der Vorsprung des Westens sowie der Japaner und der Koreaner ist ebenso groß wie die Hürden für die Chinesen vielfältig sind.

Daran ändert auch die eher vereinzelte Übernahme deutscher Mittelständler durch chinesische Investoren nichts. Diese Projekte haben im Gesamtmaßstab doch eher Signalcharakter als wirtschaftliche Bedeutung. Und der Weg, aus einem ordentlichen Mittelständler eine weltweite Marke zu machen, ist weit.

Fazit

Ein Aktienpaket von Daimler Benz in chinesischen Händen mag das deutsche Selbstverständnis irritieren – ebenso wie der Einstieg der Araber vor vielen Jahren. Aber gerade dieser Vergleich beweist: Ein solcher Vorgang zeigt, dass der Erwerber viel Geld hat und das er den Kauf für ein gutes Investment hält. Viel mehr zeigt er nicht – schon gar nicht, dass wir jetzt alle in Angst vor der „gelben Gefahr“ aus China leben müssen.

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