China – Die gelbe Gefahr?

Es braucht offenbar den 94-jährigen Altbundeskanzler Helmut Schmidt, um in Deutschland die Maßstäbe gerade zu rücken. Er darf im Fernsehen rauchen und er darf auch sagen, dass die Menschenrechte ein Konzept der westlichen Welt sind. Ein großartiges Ergebnis der Aufklärung und der westlichen Philosophie, das zu einem der wichtigsten Grundprinzipien unserer Demokratie geworden ist.

Aber das heißt nicht notwendigerweise, dass dieses Konzept in anderen Teilen der Welt – besonders solchen mit einer ganz anderen Geschichte und Tradition – den gleichen Stellenwert haben muss.

Die chinesische Führung hat sich für den Weg der Repression entschieden, als sie 1989 den Studentenprotesten auf dem Tian’anmen Platz nicht mehr Herr wurde. Viele Menschen – auch in China – hielten das für einen furchtbaren Fehler. Selbst in der Partei war der Militäreinsatz höchst umstritten.

Die brutale Niederschlagung der Studentenbewegung war seinerzeit auch deshalb ein so massiver Schock, weil nach den grausamen Jahren der Kulturrevulotion Stück für Stück Meinungsvielfalt und etwas Pluralität in China Einzug gehalten hatten und deshalb kaum jemand mit einer so massiven Reaktion gerechnet hatte.

Einheitliche Meinung

In der chinesischen Gesellschaft hat dieser Einschnitt massive Spuren hinterlassen. Die seitdem geltende Doktrin der einheitlichen politischen Meinung und die damit verbundene Intransparenz auf allen politischen Ebenen hat einen hohen Preis gefordert. In Verbindung mit den im Land seit rund 30 Jahren fast ungezügelt wirkenden Prinzipien des Kapitalismus hat sie vor allem zu einem dramatischen Korruptionsproblem in den politischen und politiknahen Klassen geführt.

Trotzdem ist es scheinheilig, der Regierung heute vorzuwerfen, ihr oberstes Ziel sei der Machterhalt. Erstens gilt das für die meisten Regierungen in den meisten Ländern und zweitens ist Macht ja tatsächlich erste Voraussetzung wirksamen politischen Handelns – egal wie gut oder schlecht die Absichten der Regierenden sind.

Eine Weltmacht kämpft um Ansehen

Das Ziel der chinesischen Regierung ist relativer Wohlstand für die Bürger des Landes – auch darin unterscheidet sie sich nicht von vielen anderen. Und sie möchte China wieder in eine Position als respektierte Weltmacht führen.

Das ist nicht nur aus ihrer Perspektive nachvollziehbar und angemessen: China stellt ein Fünftel der Weltbevölkerung, hat eine große kulturelle Tradition und versteht sich seit Jahrhunderten als Mitte der Welt – wie in gewisser Weise übrigens auch Europa und die USA.

Aus chinesischer Sicht ist es ganz natürlich, dass etwa ein Land wie England, das einige Jahrhunderte lang die halbe Welt kolonialisiert hat und dadurch zur Großmacht aufgestiegen ist, Stück für Stück im Weltgefüge wieder weniger wichtig wird, nachdem es die „erworbenen“ Gebiete im Laufe der Geschichte wieder abgeben musste. Und dass China an Bedeutung zunimmt, nachdem es wirtschaftlich und technologisch wieder Anschluss findet.

Keine „gelbe Gefahr“

Die chinesische Regierung wahrt ihre nationalen Interessen – oder was sie dafür hält – und wie viele Staaten tut sie das mit Mitteln, die im Einzelfall nicht immer hohen moralischen Ansprüchen genügen.

Die Dämonisierung eines ganzen Volkes durch Begriffe wie denen von der „gelben Gefahr“ oder von den „gelben Spionen“ (noch im 2007 im Spiegel 35/07!) ist trotzdem absurd. Zumal ein beachtlicher Teil der Bürger ein durchaus kritisches Verhältnis zur eigenen Regierung hat.

Für einen chinesischen Imperialismus jenseits der eigenen – vorwiegend der wirtschaftlichen – Interessen gibt es keine Anzeichen. Es ist zu hoffen, dass Einlassungen wie die des weisen und greisen Helmut Schmidt dazu beitragen, die Einstellung der breiten deutschen Bevölkerung zu China weiter von Ängsten zu befreien und zu entspannen.

Linktipps zum Thema:
ARD-Mediathek: Helmut Schmidt bei Beckmann
ARTE-Beitrag „China – Die neue Supermacht“

Interview mit CFO Xiaoyi Li

Xiaoyi Li ist Mitte 30, verheiratet und stammt von der chinesischen Ostküste. Seit mehr als 10 Jahren lebt er schon in Deutschland. Er hat nach seinen Studium in China auch in Deutschland im wirtschafts-wissenschaftlichen Bereich studiert. Derzeit arbeitet er in Deutschland als CFO China für einen mittelständischen deutschen Gussspezialisten. Im Interview mit Wei Fischer spricht er offen über seine ganz persönlichen Erfahrungen als hochgebildeter Ausländer in Deutschland.

1. Leben als Ausländer in Deutschland

Wie fühlen Sie sich als Ausländer in Deutschland?

Ich bin seit 13 Jahren in Deutschland und finde, dass man hierzulande im Allgemeinen Ausländern gegenüber freundlich ist. Seit ich hier bin, haben mich viele Deutsche unterstützt.

Obwohl Ausländer hier auch vor große Herausforderungen gestellt werden, insbesondere hinsichtlich Kultur und Sprache, entscheidet im Wesentlichen der eigene Charakter und Wille über den Eingliederungserfolg. Einige sind diesbezüglich offen, leider ist die Mehrheit der Chinesen hierbei jedoch zurückhaltend bzw. introvertiert.

Welchen Eindruck haben Sie von Deutschen?

Zu Beginn war es schwierig für mich, mit Deutschen in Kontakt zu treten, da man hier eher distanziert und zurückhaltend ist. Mit der Zeit hat sich das jedoch gebessert und es sind auch einige Freundschaften entstanden. Man sagt, die Deutschen seien mit einer Ananas zu vergleichen: außen hart und innen weich.

2. Erfahrungen während des Studiums

War es schwierig für Sie zu Beginn in Deutschland?

Als ich in Deutschland angekommen bin, gab es noch nicht so viele Chinesen hier. Viele waren auch nicht zum Studieren hier, sondern haben ihr Geld in Restaurants oder als Touristenführer verdient. Das lag weniger daran, dass sie nicht geeignet für ein Studium gewesen wären, sondern mehr daran, dass ihnen die Geduld für ein Studium fehlte. Hier konnten Sie 3000 DM pro Monat verdienen, was deutlich mehr war als das, was in China zu dieser Zeit möglich war.

Hinzu kam, dass zu dieser Zeit die wenigsten Chinesen die finanziellen Mittel hatten, ihren Kindern ein Studium im Ausland zu ermöglichen. Heutzutage werden oft die Kosten für Studium und Lebensunterhalt von den Eltern getragen.

Damals mussten wir erst Geld verdienen und konnten dann mit dem Studium beginnen. Ich habe in den Semesterferien verschiedene Ferienjobs gehabt und darüber besseren Kontakt zu Deutschen und der deutschen Kultur bekommen.

Warum haben Sie sich für Deutschland entschieden?

Ein Sandkastenfreund hat mir ermöglicht, nach Deutschland zu kommen. Wir waren eine vierköpfige Gruppe, wobei ich der Einzige bin, der das Studium erfolgreich beendet hat.

Als sich diese Möglichkeit auftat, hatte ich gerade mein drittes Studienjahr an einer chinesischen Hochschule begonnen, allgemein das Gefühl, noch nicht sonderlich viel gelernt zu haben und für mich auch keine besonders guten Berufsaussichten gesehen. Da dachte ich mir: „Warum nicht?“.

Ein neues Leben in Deutschland zu beginnen ist nicht einfach. Haben Sie je ans Aufgeben gedacht?

Das Studium war natürlich an sich schon nicht einfach und zudem fühlt man sich bisweilen auch einsam. Man muss aber einfach konsequent seinen Weg gehen und sich nicht entmutigen lassen. Statt mich mit anderen zu vergleichen, habe ich eher versucht mich selbst stetig zu verbessern.

Allen Chinesen, die die Absicht haben hier zu studieren, rate ich, sich zunächst darüber klar zu werden, ob es ihnen hier so gut gefällt, dass sie auch die nötige Hartnäckigkeit entwickeln können. Wenn ja, sollte man dazu stehen; wenn nein, sollte man es besser gleich lassen.

Ein ganz offensichtliches Problem ist, dass man während des Studiums kein Geld verdient. Die Jahre 2004 und 2005 waren diesbezüglich sehr schwierig für mich. So schwer, dass ich auf die Hilfe meiner Eltern zurückgreifen musste. Ab 2007 wurde es aber wieder besser. Ein Professor hat mich einem Unternehmen vorgestellt, bei dem ich meine Diplomarbeit schreiben konnte und das mich auch später eingestellt hat.

Welchen Unterschied haben Sie zwischen sich und Ihren deutschen Studienkollegen festgestellt?

Während des Studiums habe ich festgestellt, dass viele meiner deutschen Kommilitonen bereits erste praktische Erfahrungen gesammelt hatten. Beispielsweise haben viele bereits in ihren Praktika mit SAP-Software gearbeitet, während ich mich bei meinem Berufseinstieg bei null anfangen musste. Die meisten Ausländer haben weniger Berufserfahrung während des Studiums sammeln können.

Ein weiterer Vorteil für deutsche Studenten ist, dass Englisch und Deutsch ähnlicher sind als Chinesisch und Englisch, so tun sich die deutschen Studenten leichter im Englischen.

3. Berufserfahrungen in Deutschland

Haben Sie in Ihrem Berufsleben Unterschiede zwischen Chinesen und Deutschen festgestellt?

Die meisten Chinesen sind eher schüchtern. Sie denken erst genau nach, bevor sie etwas sagen. Wenn ein Chinese eine Aufgabe übertragen bekommt, wird er diese zunächst kritiklos annehmen ggf. aber später zweifelhafte Aspekte ansprechen und diskutieren.

Deutsche würden eher sofort die unklaren oder zweifelhaften Punkte ansprechen um Klarheit zu schaffen, selbst wenn sie die Gesamtaufgabe noch nicht perfekt kennen. Chinesen sollten lernen, Probleme schnell anzusprechen.

Nach meiner Erfahrungen arbeiten die Deutschen zudem sehr diszipliniert. Sie brauchen keinen Druck. Das System ist bereits gut organisiert, man braucht nur seinen Teil auszuführen wenn einem eine Aufgabe zugeteilt wird.

In China muss man hingegen viele Gespräche führen und Emails schreiben um zu entscheiden, wie etwas gemacht wird. In Deutschland machen wir im Controlling immer einen 5-Jahres-Plan, aber in China wissen wir nicht mal, was wir nächstes Jahr machen werden. In China gibt es ein Sprichwort: Veränderungen sind schneller als Pläne.

Ein anderes Beispiel: Wenn Chinesen miteinander Geschäfte machen, fangen sie mit dem einfachsten Problem an und besprechen das schwierigste erst ganz am Ende. In Deutschland fängt man mit dem Schwierigsten an. Wenn es nicht gelöst werden kann, braucht man den Rest auch nicht mehr zu besprechen.

Hatten Sie die Chance in eine mittlere Managementposition eines deutschen Unternehmens in Deutschland befördert zu werden?

Nicht wirklich.

Warum nicht?

Zunächst braucht man fünf bis zehn Jahre Berufserfahrung um auf eine mittlere Managementposition befördert zu werden. Das ist relativ schwierig für Chinesen. Die meisten Chinesen sind nach ihrem Studium bereits recht alt. Wenn Sie 3 bis 5 Jahre in Deutschland waren, denken die meisten daran, nach China zurückzugehen.

Selbst wenn sie wie ich in Deutschland bleiben, gibt es einen Punkt an dem es nicht mehr weitergeht. Natürlich möchte ich Abteilungs- oder Bereichsleiter werden. Ich glaube jedoch, dass die Chancen sehr gering sind.

Glauben Sie, dass das mit Ihnen oder mit Ihrer Firma zu tun hat?

Beides. Viele deutsche Firmen sind sehr konservativ. Sie wollen Sicherheit und nicht Wachstum um jeden Preis, wie es bei amerikanischen Unternehmen der Fall ist. Sie sind sehr stark auf ein Gebiet oder Produkt spezialisiert.

Welche Rolle erwarten deutsche Unternehmen von Chinesen?

Sie wollen nachhaltiges Wachstum in asiatischen Ländern und sehen, dass ausländische Arbeitskräfte hier Vorteile in Sprache und Kultur haben. Wenn Sie drei bis fünf Jahre Berufserfahrung in Deutschland haben, werden sie ins Ausland geschickt, um dort eine Produktionsstätte aufzubauen.

Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen die Chance gäbe, Abteilungs- oder Bereichsleiter in Deutschland zu werden, glauben Sie, der Aufgabe gewachsen zu sein?

Es gibt schon ein paar Zweifel. Der Kontakt mit den mir unterstellten Mitarbeitern wäre sicherlich nicht ganz einfach. Ich denke aber auch, dass das zum Teil auch Übungs- und Schulungssache ist. Viele Deutsche, die ich kenne, haben Schulungen und Kurse zur Verbesserung der Soft Skills besucht.

Selbst bin ich jedoch nie in den Genuss solcher Schulungen gekommen. Ich gehe davon aus, dass es für mich einfacher gewesen wäre, in China meine Karriere nach vorne zu bringen.

Was sind die Vor- und Nachteile von Chinesen in deutschen Firmen?

Die Vorteile von Chinesen werden offensichtlich wenn sie in den chinesischen Niederlassungen deutscher Firmen eingesetzt werden. Hier kommen Sprache, Kultur usw. zum tragen.

Selbst in meinem Job als Controller, der ja im Wesentlichen mit Zahlen zu tun hat, habe ich einige Vorteile in dem Sinne, dass mir die Interpretation der Ergebnisse und deren Umsetzung in Handlungsempfehlungen leichter fällt.

Der große Nachteil von Chinesen ist die Kommunikation mit Deutschen. Ohne gute Kommunikationsfähigkeit kann man in Deutschland kein Abteilungsleiter werden. Leute die als Ingenieure, Techniker oder in der Entwicklung arbeiten, müssen weniger kommunikativ sein.

Aber in dem Bereich Verwaltung und Administration ist Kommunikation sehr wichtig. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, in diesem Bereich als Chinese befördert zu werden, relativ gering.

Wie sehen sie die chinesischen Firmen hier in Deutschland?

Ich habe gehört, dass es in chinesischen Unternehmen in Deutschland offene Stellen im mittleren und hohen Management gibt, aber ich möchte mich dort nicht bewerben.

Ich denke, dass deren Managementqualität mindestens fünf Jahre braucht, um auf deutschem Niveau zu sein. Mit diesem Managementsystem werden sie wohl noch viel Lehrgeld bezahlen müssen. Viele chinesische Unternehmen sind jedoch zu kurzsichtig. Sie wollen sofort Gewinn sehen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass sie zuerst geduldig mehr Managementqualität aufbauen müssen.

4. Arbeiten in China

Was ist die größte Herausforderung, wenn man zurück nach China geschickt wird?

Dieses Jahr war ich beruflich fünfmal in China. Ich komme mir teilweise recht blöd vor, weil ich so direkt spreche, wie ich es in Deutschland tue und weil ich teilweise die Zwischentöne im Gespräch mit Chinesen nicht mehr verstehe.

Für mich erweist sich daher der Kontakt mit den chinesischen Mitmenschen als auch der Kontakt mit politischen Vertretern als schwierig.

Ausländische Firmen in China oder Joint Ventures sind von ihrer Managementstruktur deutlich näher am westlichen Modell. In einem reinen chinesischen System hätte ich sicherlich viel mehr Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden.

Wenn ich jetzt jedoch nicht nach China gehe, wird sich eine solche Chance wohl nicht mehr ergeben. Mit 40 oder 50 Jahren und einer Familie wird es deutlich schwieriger.

Welche anderen Unterschiede gibt es zwischen Ihnen und Ihren chinesischen Kollegen in China?

Ich habe meine Berufserfahrungen in relativ internationalen Firmen gesammelt. Im Gegensatz zu anderen Chinesen glaube ich, einen etwas erweiterten Horizont zu haben, sodass ich ein Problem von mehreren Seiten betrachten kann.

Die Arbeit und das Studium in Deutschland haben mich diesbezüglich gestärkt und diese Erfahrung möchte ich für mein nächstes Ziel nutzen: Die Verantwortung für eine Produktionsstätte in China übernehmen und dort nachhaltiges Wachstum und Gewinn erzielen.

Wie hoch sind die Gehaltsunterschiede zwischen Deutschland und China?

Meiner Meinung nach wird der Unterschied zwischen Managern und Arbeitern in China stetig grösser werden. Der Unterschied zwischen Deutschland und China wird jedoch abnehmen. Innerhalb der nächsten zwanzig Jahre wird das Gehaltsniveau in China aber nicht das Deutsche erreichen.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Autoindustrie in China?

Die Automobilindustrie wird in den nächsten zehn Jahren in China wohl sehr stark wachsen. Danach wird der Markt stabil bleiben. Zurzeit ist die Konkurrenz relativ stark. Selbst reine Hersteller von Rollern oder LKW entwickeln nun PKW. Der gesamte Markt ist im Umbruch. Dieser muss zuerst vollzogen werden, bevor sich die Verhältnisse stabilisieren.

Viele chinesische Unternehmen möchten qualitativ gute Autos produzieren. Sie investieren stark in Produktionsmaschinen, in Technologie – vorrangig aus dem Westen. Aber das größte Problem in China ist eher der Immobilienmarkt. Wenn dieses Problem nicht gelöst werden kann, wird es schwerwiegende Auswirkungen auf den Rest der Wirtschaft haben.

5. Leben in China und Deutschland

Was hat Sie in Deutschland beeindruckt?

Die deutsche Gesellschaft ist sehr fair: wenn man sich anstrengt, wird man belohnt.

Das funktioniert so nicht in China. Wenn man nach China zurückkommt, sieht man sich mit politischen Problemen, Umwelt- und Lärmproblemen konfrontiert. Auch Bildung ist ein Problem. In Deutschland ist es ruhig und stabil. Hier kann man das Wasser aus dem Wasserhahn trinken!

Was ist gut in China?

Wenn man in China „Guanxi“, also Verbindungen und Kontakte, hat, dann ist alles viel einfacher. In Deutschland muss immer alles nach Protokoll laufen. Abkürzungen gibt es nicht.

Aber das ist ja dann „unfair“?

Lacht!

Denken Sie, dass Sie gut in die deutsche Gesellschaft integriert sind?

Ich denke schon, dass ich mich integriert habe. Ich habe mich an das Essen gewöhnt und viele Freunde hier gewonnen.

Leider konnte sich meine Frau bis jetzt noch nicht integrieren. Einige Leute können sich integrieren, andere nicht. Manchmal denke ich, dass ich gerne in China leben würde, aber sobald ich einige Tage wieder dort bin, realisiere ich, dass mir Deutschland besser gefällt. Ich fühle mich ganz anders, wenn ich in Frankfurt ankomme.

Was würde Sie dazu bringen zurück nach China zu gehen?

Die Hauptvoraussetzung ist natürlich eine sehr gute berufliche Basis. Mein heutiges Unternehmen kann mir eine solche Basis bieten. Ich kann nicht einfach kündigen und ohne Basis und gute Karrierchancen zurückgehen.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, für immer in Deutschland zu bleiben, würden Sie es tun?

Ja, das würde ich. Deutschland ist meine zweite Heimat. Aber das müsste ich mit meiner Frau besprechen.

 

Das Interview führte Wei Fischer. Der Name „Xiaoyi Li“ wurde von der Redaktion geändert.

Topmanager-Gehälter müssen sich am Marktwert orientieren

Manchmal fördert ein Blick von außen interessante Aspekte zutage! In einer Diskussion mit einem chinesischen Manager über den bemerkenswerten Wohlstand vieler Politikerfamilien in China, zeigte sich der Gesprächspartner verwundert über die westliche Verwunderung.

Aus seiner Perspektive ist es zwar unerfreulich, aber schwer zu vermeiden, dass sich die Mächtigen in einer Gesellschaft wirtschaftlich unangemessen bereichern. Er sieht das als weltweites Phänomen. In China seien eben die Politikerclans mächtig, im Westen eher die angestellten Topmanager der großen Konglomerate; und die sorgten doch auch für ihr Wohlergehen – zwar nicht ganz so schamlos, aber doch in einer Weise, die mit Marktwirtschaft wenig zu tun habe.

Tatsächlich ist an diesem Argument viel dran: Die oft wiederholte These, dass extrem hohe Einkommen an die DAX-Vorstände gezahlt werden müssten, weil das deren Marktpreis entspräche, hält einer Überprüfung nicht stand.

Unter den rund 300 Personen, die zusammen mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr verdienen, gibt es vielleicht eine Handvoll von Kandidaten, die auf ihrem derzeitigen Einkommensniveau für andere Unternehmen attraktive Kandidaten wären.

Das gilt nicht nur für die medial präsenten Vorsitzenden. Fast mehr noch gilt es für die übrigen Vorstandsmitglieder. Alleine schon das Alter sorgt hier für Einschränkungen: Niemand hatte wohl ernsthaft Sorge, dass Herrn Vasella (dem finalen Brandbeschleuniger der Schweizer „Abzocker Initiative“), fast 60-jährig und mit durchwachsener Erfolgsbilanz, vom Aventis-Wettbewerb ein lukratives Angebot ins Haus flattern würde, wenn er ausscheidet.

Deshalb wirken die 75 Millionen Franken Entschädigung zur Abgeltung des Wettbewerbsverbotes auf Außenstehende wie ein Abschiedsgeschenk und nicht wie eine geschäftliche Notwendigkeit.

In der deutschen Industrie ist die Situation nicht wesentlich anders: auch hier gibt es einfache Vorstandsmitglieder mit Millionenbezügen, die ihr Einkommen als „fair“ empfinden, obwohl sie Mühe hätten, andernorts 10 % ihres heutigen Einkommens zu realisieren.

Das Einkommen ist in diesen Fällen kein Ergebnis von Angebot und Nachfrage und deshalb ist es in seiner Sinnhaftigkeit nicht vermittelbar.

Top-Manager sind schlecht transferierbar

Topmanager sind eben keine Riberys und Ronaldos, um die verschiedene Vereine mit abnormen Geldsummen kämpfen, was naturgemäß die Preise hochtreibt.

Anders als Sportler, Künstler oder Medienstars sind die Manager in einer ganz konkreten Situation – hoffentlich! – vorstandsgeeignet und zu besonderen Leistungen fähig. Die meisten aber sind ohne Qualitätsverlust nicht einmal in eine andere Umgebung transferierbar, schon gar nicht international.

Und eine Motivationsnotwendigkeit gibt es auch nicht: Die allermeisten DAX-Vorstände würden – was ja für sie spricht – keinen Deut schlechter arbeiten, wenn sie nur die Hälfte oder ein Drittel ihrer heutigen Bezüge erhalten würden.

Im Ergebnis hat mein chinesischer Geschäftsführer recht: Die mit besonders viel Macht und Einfluss ausgestatteten deutschen Topmanager haben sich vielfach von ihrem Marktwert entkoppelt.

Die ganze Diskussion, ob die Arbeit eines Vorstands wichtiger ist als die von Herrn Jauch, die eines Fußballers oder die eines Krankenpflegers geht am Ziel vorbei. Nicht irgendeine abstrakte Gerechtigkeits- oder Angemessenheitsüberlegung, sondern der Markt bestimmt in unserem Wirtschaftssystem Wert und Preis einer Arbeitsleistung: Das ist gut für Herrn Jauch und den Fußballer, die viele sehen möchten und schlecht für die Krankenpfleger.

Marktwert sollte als Maßstab für das Einkommen dienen

Viele Topmanager aber sind heute eindeutig weit über die Nachfrage hinaus bezahlt – was nicht ohne Ironie ist, weil sich manche ja als Gralshüter der Marktwirtschaft sehen. Aktionäre und Mitarbeiter wären über ihre jeweiligen Vertreter im Aufsichtsrat in der Lage, das zu ändern.

Wenn Herr Steinbrück sich trauen würde, DAX-Vorstände oder Sparkassendirektoren laut und deutlich für überbezahlt zu erklären, statt politische Ämter für unterbezahlt, würde sich Frau Merkel wahrscheinlich ganz schnell anschließen. Sie hat ja auch wahrgenommen, dass 68% der Schweizer – anders als ihre bürgerlichen Parteien – die Topmanagementbezahlung für ein Ärgernis halten. Und man darf ihr zutrauen, dass sie diese Erkenntnis auch auf die Verhältnisse in Deutschland übertragen kann.

Wenn der Marktwert als Maßstab anerkannt wäre, würden sich die Einkommen nach der Verfünf- oder Verzehnfachung der letzten 20 Jahre langsam wieder in die Gegenrichtung entwickeln. Das wäre sicher eine bessere Strategie als Regularien und staatliche Höchstgrenzen.

Über Sinn und Unsinn der Bluecard

Am 1. August 2012 wurde die Bluecard in Deutschland eingeführt. Sie soll den Zuzug von hochqualifizierten Nicht-EU-Ausländern erleichtern. Als Geschäftsführer einer auf die Rekrutierung von chinesischen Fachkräften spezialisierten Personalberatung werde ich oft gefragt, ob die Bluecard ein geeignetes Mittel ist, gute Fachkräfte nach Deutschland zu holen?

Gerne antworte ich darauf mit einer Gegenfrage: Ist das Anmieten einer Wohnung für junge Männer ein geeignetes Mittel, eine tolle Frau von der Familiengründung zu überzeugen?

Aber Spaß beiseite: Natürlich können keine Fachkräfte angeworben werden, wenn die Basisinstrumente für Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis fehlen. Der Umkehrschluss allerdings, die Einführung der Bluecard, die diese Basisvoraussetzungen schaffen soll, führe umgehend zur Einwanderung guter Fachkräfte, wäre ein großer Irrtum.

Dazu bräuchte es ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Vor allem müsste erarbeitet werden, welche Qualifikationen und Profile in der deutschen Wirtschaft überhaupt gebraucht werden. Welche Ausbildung und Erfahrung die gewünschten Fachkräfte mitbringen müssen.

Sinnvollerweise sollten die Antworten auf diese Fragestellungen von den Arbeitgebern erarbeitet werden. Im günstigsten Fall unter Einbeziehung der wichtigsten Herkunftsländer: Auf dortige Staatskosten ausgebildete slowenische Ärzte systematisch nach Deutschland anzuwerben, wäre vielleicht nicht unbedingt der Königsweg.

Die Wünsche und Anforderungen müssten dann aber vor allem aktiv und in sympathischer Form dort bekannt gemacht werden, wo man die Fachkräfte zu finden hofft. Etwas Anstrengung in Richtung Willkommenskultur wäre auch hilfreich: Wenn die Menschen nach einigen Monaten oder Jahren – sozusagen nach der Einarbeitung – wieder zurückkehren oder weiterziehen, ist auch nicht viel erreicht.

Ausländische Fachkräfte möchten keine Gastarbeiter sein

Wir können aus vielen Jahren Erfahrungen mit ausländischen Akademikern lernen, die an deutschen Universitäten studiert haben: Sie kommen zum Erst- oder Zweitstudium nach Deutschland, lernen die Sprache, sind nach einigen Jahren im Land meist gut integriert und überaus qualifiziert.

Nach dem Studium haben sie als Nicht-EU-Bürger auch ohne Bluecard ein Aufenthaltsrecht, wenn Sie innerhalb eines Jahres nach erfolgreichem Studienabschluss eine angemessene Arbeit in Deutschland finden. Vielen gelingt das, sie arbeiten hier ein paar Jahre und trotzdem bleibt die überwiegende Zahl, vor allem die Leistungsstärksten, dann nicht dauerhaft in Deutschland. Warum ist das so?

Die deutsche Einwanderungserfahrung der letzten Jahrzehnte hat auch bei intelligenten Menschen zu eigenartigen Assoziationsketten geführt: Ausländische Fachkräfte klingt ein bisschen wie Gastarbeiter. Aber genau als solche werden die für die Wirtschaft attraktivsten, weil hoch motivierten und besonders leistungsfähigen, Menschen nicht nach Deutschland kommen.

Die jüngeren gut ausgebildeten Akademiker haben inzwischen fast überall auf der Welt einen globalen Mindset. Sie haben den gleichen Zugang zu Informationen, ähnliche Einstellungen und die gleichen Smartphones. Und sie fühlen sich ihren Altersgenossen anderer Nationalitäten ebenbürtig.

Ausländische Fachkräfte haben kaum Karrierechancen

In größerer Zahl werden ausländische High-Potentials nur dann nach Deutschland kommen, wenn sie hier die gleichen Perspektiven haben wie gleich qualifizierte Deutsche. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt: Führungskräfte mit Migrationshintergrund bilden Ausnahmen in der deutschen Wirtschaft, von Topmanagern gar nicht zu reden.

Wer als Ausländer in Deutschland in einer fremden Sprache studiert hat, müsste eigentlich bessere Chancen haben als die deutschen Kommilitonen. Immerhin verfügen diese über internationale Erfahrung, eine zusätzliche Sprache und einen großen interkulturellen Vorsprung. Denoch ist genau das Gegenteil der Fall. Wir haben – anders als etwa die Amerikaner – noch nicht realisiert, dass die Talente unter den Immigranten ein weitgehend ungenutztes Kapital bilden.

Wenn für die ausländischen Fachkräfte mit deutschen Abschlüssen der Weg nach oben so schwierig ist, wie steinig ist er dann erst für die Bluecard-Kandidaten? Sie haben andere Fächer mit abweichenden Inhalten studiert, sie müssen die deutsche Sprache meist erst lernen und sie haben häufig wenig Bezug zur deutschen Kultur.

Die um „Überfremdung“ Besorgten können sich derweil entspannen: Ausländische Fachkräfte werden den deutschen Mitbewerbern nicht viele Jobs „wegnehmen“. Da müssten wir mit ganz anderem Schwung an das Thema herangehen. Aber dafür gibt es zurzeit keinerlei Anzeichen – und auch keine machtvollen Personen, die ein solches Projekt zu ihrer Sache machen würden.

Keine Angst vor China

Das Bild von der „gelben Gefahr“ ist in den deutschen Köpfen eigenartig tief verankert – und keineswegs nur bei der älteren Generation. Der Spiegel hat es vor einigen Jahren mit einer untypisch abstrusen Titelgeschichte über die „gelben Spione“ wieder aufgenommen. Danach wollte angeblich der chinesische Staat – quasi in Stasi-Manier – die weltweit verteilten Auslandschinesen als Wirtschaftsagenten nutzen.

Selten ist im Spiegel ein solcher Unfug veröffentlicht worden – und doch hat auch diese Geschichte bis heute in vielen Köpfen ihre Spuren hinterlassen.

Aber ich frage mich: Von wem sollte diese Gefahr ausgehen? Von der schieren Masse der Menschen?

Die Menschen sind zwar in der Tat zahlreich, aber gerade deshalb mit ihrem täglichen Überlebenskampf beschäftigt. Auch in der größer werdenden Mittelschicht gibt es wenig Zeit und Muße, sich mit imperialen Phantasien zu befassen.

Im Gegenteil ist das Denken der Chinesen stark nach innen gerichtet. Und die Folgen der konsequenten Ein-Kind-Politik sind schon zu besichtigen: Die absolute Zahl der Arbeitskräfte nimmt ab, es rücken weniger nach als aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dadurch ist der Druck auf die relativ wenigen jungen Menschen enorm.

Typischerweise muss sich ein junges Paar ohne Geschwisterentlastung um vier alternde Elternteile kümmern, in einem harten Wettbewerb das eigene Fortkommen organisieren und nebenbei auch noch eine eigene Familie gründen und versorgen. Ein Vorhaben, das heute in der Mittelschicht meist mit der Beschaffung einer kleinen und trotzdem fast unbezahlbaren Wohnung beginnt.

Diese Menschen sind fleißig, lern- wie leistungswillig und oft auch ungeheuer belastbar. Aber eine Gefahr für Europa bilden sie nicht.

Ist die Ursache der Gefahr also eher in einem relativ skrupellosen Regime zu finden?

Die Regierung ist – verglichen mit ihrem Volk – wesentlich stärker international interessiert. Das ist wohl war. Die außenpolitischen Machtansprüche und das Streben nach Einfluss in internationalen Gremien sind unübersehbar.

Aber auch hier stimmen die meisten Beobachter überein, dass das wichtigste Ziel des selbstbewussten Auftritts und alles Denkens und Handels letztlich der Macherhalt im eigenen Land ist. Die Regierung hat definiert, dass sie ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens 8% braucht, um nachhaltig eine friedliche Weiterentwicklung des Landes organisieren zu können.

Und dazu werden die Wege zu Rohstoffquellen in Afrika ebenso konsequent gesichert wie an einer Verbreiterung und Diversifizierung der Auslandsinvestitionen gearbeitet wird. Jedoch nicht mit dem Ziel, Daimler Benz zu beherrschen, sondern um Zugänge zu neuen Technologien zu schaffen und möglichst viele Investitionen ins eigene Land zu lenken.

Das chinesische Regime hat den Vorteil, dass es seine Planungen nicht durch parlamentarische Mühlen schicken muss, die mitunter aus einem guten Konzept ein Sammelsurium schlechter Kompromisse macht und sicher eine kontinuierliche Industriepolitik enorm erschweren.

Aber es hat auch die Nachteile der fehlenden Transparenz zu tragen: Insbesondere die Korruption auf allen Ebenen der eigenen Reihen und die unangemessen hohe Bedeutung von Beziehungen gegenüber Leistungsvermögen und Wissen in allen Lebensbereichen. Für wirtschaftliche Erfolge im internationalen Wettbewerb auf Topniveau sind diese Probleme reines Gift.

Oder geht die viel beschworene „gelbe Gefahr“ von einer dominierenden Wirtschaft aus?

Von einer global erfolgreichen chinesischen Wirtschaft ist weit und breit nichts zu sehen. Die Staatsunternehmen sind auch mittelfristig absolut außerstande, in großem Stil zu exportieren.

Im privaten oder halbprivaten Bereich gibt zwar einzelne Erfolgsgeschichten wie die von Huawei, die auf sehr speziellen Bedingungen (in dem Fall vor allem auch der Finanzierung) beruhen. Es sind aber nicht die geringsten Anzeichen dafür zu finden, dass irgendwo ein chinesischer Samsung oder Hyundai im Anmarsch wäre. Dazu fehlt es an der Technologie und der Prozesssicherheit zur Entwicklung komplexer Produkte. Ebenso wie vielerorts am Prozess Know-how in der Fertigung.

Vor allem anderen aber ist das ganze Thema der Entwicklung und Führung internationaler Marken noch weit von der Weltspitze entfernt. Natürlich werden einige hervorragende chinesische Unternehmer in relativ kurzer Zeit den Sprung auf die globalen Märkte auch mit eigenen Marken schaffen. Aber der Vorsprung des Westens sowie der Japaner und der Koreaner ist ebenso groß wie die Hürden für die Chinesen vielfältig sind.

Daran ändert auch die eher vereinzelte Übernahme deutscher Mittelständler durch chinesische Investoren nichts. Diese Projekte haben im Gesamtmaßstab doch eher Signalcharakter als wirtschaftliche Bedeutung. Und der Weg, aus einem ordentlichen Mittelständler eine weltweite Marke zu machen, ist weit.

Fazit

Ein Aktienpaket von Daimler Benz in chinesischen Händen mag das deutsche Selbstverständnis irritieren – ebenso wie der Einstieg der Araber vor vielen Jahren. Aber gerade dieser Vergleich beweist: Ein solcher Vorgang zeigt, dass der Erwerber viel Geld hat und das er den Kauf für ein gutes Investment hält. Viel mehr zeigt er nicht – schon gar nicht, dass wir jetzt alle in Angst vor der „gelben Gefahr“ aus China leben müssen.

Über gute und schlechte Immigranten

Als ich 1981 in München eine Wohnungsanzeige aufgegeben habe, um meine entstehende Familie zu behausen, gab es eine einzige Zuschrift; die Wohnung war toll, die Vermieterin war münchnerisch, mütterlich und nett; das zu erwartende Kind eine Freude und kein Problem (für die Vermieterin). Zum Ende der Besichtigung (ohne die schwangere Mutter) habe ich gesagt, ich müsse korrekterweise noch mitteilen, dass meine Frau Ausländerin sei; die Gesichtsfarbe wechselte von rosig zu aschfahl, in den Augen kam leise Panik auf; sie komme aus England; große Erleichterung, großes Gelächter: „Das sind ja keine richtigen Ausländer“!

Daran hat sich nichts geändert; wir lassen mal die weniger als 10% Verstandfreien, für die alle „Migranten“ unbekannt und deshalb unerträglich sind, aussen vor; dann gibt es gute Ausländer, neutrale, erträgliche, schlechte und ganz schlechte; helle Hautfarbe und Haare helfen, sind aber nur ein Kriterium; Polen haben es auch in blond nicht leicht, Japaner oder Thailänder sind eher exotisch als positiv oder negativ zugeordnet; Amerikaner sind überwiegend geschätzt solange sie nicht allzu schwarz sind und Schweizer und Österreicher kommen ohnehin nur nach Deutschland, wenn es für sie attraktiv ist; was wir mit den Schweden Larsson (dunkelhäutig) und Ibrahimovic (langhaarig) anfangen würden, wenn sie keine erfolgreichen Fußballer wären, ist allerdings offen. Diese Grautöne sind Folgen der Globalisierung und komplizieren das Vorurteil als solches in lästiger Weise.

Ein interessanter Fall sind die Chinesen. Davon gibt es in Deutschland rund 50 Tausend und sofern sie nicht der Gastronomie zuzurechnen sind, handelt es sich fast ausschließlich um Akademiker; diese Menschen berichten fast nie, dass sie sich in Deutschland unfreundlich aufgenommen fühlen; häufig studieren sie hier und tun sich – jedenfalls die Männer- schwer mit der Partnersuche; das ist aber keine Diskriminierung, sondern Folge der Vorliebe deutscher Frauen bei der Partnerwahl: Kriterium 1 und 2: Größe (Länge), Platz 3: kantige Gesichter. Beides haben die Chinesen meist nicht zu bieten. Aber als Arbeitskräfte sind durchaus gefragt: oft sehr gut ausgebildet als Ingenieure oder Informatiker, überdurchschnittlich intelligent, einsatzfreudig, fleißig und relativ preiswert; sie sind gut geeignet, in Zeiten des Fachkräftemangels zuverlässig die nicht so aufregenden Projekte abzuarbeiten und davon macht die Wirtschaft durchaus Gebrauch.

Das meist etwas niedrigere Einkommen der chinesischen Akademiker ist auch keine Diskriminierung, sondern markttechnische Folge der Bewertungen deutscher Arbeitgeber: Dort werden in aller Regel die gute Beherrschung der (deutschen) Sprache, ein europäisch selbstbewusster Auftritt einschließlich einer geschickten Selbstdarstellung und ein schnelles Erfassen aller ungeschriebenen Firmenregeln höher eingeschätzt als eine Extraportion Leistungswille und Leistungsfähigkeit. Wenn man sieht, wie etwa im Business Fußball die Erfolgreichen weite Wege gehen, um durch Vielfalt im Team die letzten 10% Leistungspotential zu erschließen, drängt sich der Gedanke auf, dass diese Bewertung wahrscheinlich falsch ist. Aber die meisten deutschen Unternehmen kommen (noch) ohne die letzten 10% gut zurecht und so wird sich das nur langsam ändern.

Die chinesischen Akademikern fallen als Migranten eher in die neutrale Kategorie. Sie sind im Ausbildungslevel hoch angesiedelt sind und bringen eine kulturelle Kompetenz mit, die für die meisten deutschen Unternehmen geschäftlich interessanter ist als die Kenntnis etwa der bosnischen, portugiesischen oder türkischen Kultur. Sie sind also eine relativ attraktive Gruppe. Es kann dann nicht verwundern, dass Migranten als Gesamtheit im Durchschnitt für vergleichbare Tätigkeiten weniger verdienen. Neben den Gewerkschaften regelt in Deutschland der Markt die Einkommenshöhe. Eine langsame Angleichung wird über die Jahre erfolgen, je mehr die Unternehmen den Wert von vielfältigen Charakteren und Einflüssen für die Gesamtteamleistung erkennen – insbesondere in globalen Märkten. Ein Sonderangebot – und das sind die talentierten Migranten- bleibt im Wettbewerb auf Dauer nicht unentdeckt – zumal es bei dieser Form von „Diversität“ keine Ausfallzeiten durch Mutterschutz und Erziehungsurlaub gibt. Das bedeutet natürlich auch, dass es im Bereich der weniger Qualifizierten auf Dauer Unterschiede geben wird, weil die kulturelle Kompetenz eines Maschinenführers in der Produktion sich nur sehr mittelbar in wirtschaftlichen Erfolg umsetzen lässt.