Gleichberechtigung und Frauenquote im Berufsleben in China

Wenn man die deutschen Diskussionen zur Frauenquote verfolgt und daneben die chinesische Realität betrachtet, gewinnt das Thema ein paar zusätzliche Perspektiven. Mao hat den chinesischen Frauen vor vielen Jahren die Hälfte vom Himmel versprochen. Hat die Partei dieses Versprechen gehalten?

Tatsächlich ist der Anteil der arbeitenden Frauen in China hoch und liegt in den Städten wahrscheinlich bei über 80 % des männlichen Anteils. Es gibt kaum lange Schwangerschaftspausen und es ist gelebte Normalität, dass eine Frau arbeitet. Die „Vollzeitmutter“ ist seltene Ausnahme.

Es gibt eine beachtliche Zahl weiblicher Unternehmer, viele sehr gut ausgebildete Frauen und zahlreiche weibliche Ingenieure. Eine Schwangerschaft wird weder von Mitarbeitern noch von Arbeitgebern als wesentliche Einschränkung wahrgenommen. Trotzdem scheint der Frauenanteil in Führungs- und Machtpositionen insgesamt nicht wesentlich höher zu sein als in Westeuropa. Warum ist das so?

Man kann argumentieren, dass die chinesische Tradition stärker noch als die westliche über Jahrhunderte das weibliche Geschlecht als das schwächere definiert hat – mit einer entsprechend dienenden Aufgabenzuteilung. Und es wird natürlich von den meisten Frauen für den schlichten Broterwerb und den Lebensstandard gearbeitet, die Karriereerwartungen sind häufig nicht sehr hoch. Von Erfüllung im Beruf und Selbstverwirklichung durch Arbeit gar nicht zu reden.

Und auch in China gibt es noch Männer, die nach alter Gewohnheit lieber mit anderen Männern arbeiten als sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen.

Chinesische Ansichten

Trotzdem – wenn Sie hochqualifizierte chinesische Frauen fragen, bekommen Sie immer wieder zwei ganz andere Punkte genannt, die auch für die westliche Diskussion interessant sind.

Zum einen sagen die Frauen: „Wir haben eine Alternative zum Streben nach Geld und Erfolg, die Männer kaum“. Ob ein Mann attraktiver für das andere Geschlecht werden will, ob er Geld verdienen möchte, ob er den Wunsch hat, seiner Familie zu helfen oder seinem Ego etwas Gutes zu tun: der gesellschaftlich anerkannte und damit dann auch der erfolgreiche Weg ist immer der Gleiche – nämlich möglichst viel berufliche Anerkennung.

Für Frauen gibt es für fast alle diese Ziele interessante Alternativen. Vielleicht entscheidet sich deshalb auch nur ein – verglichen mit den Männern – kleinerer Anteil für den Karriereweg und die damit verbundenen Konsequenzen?

Zum anderen erfordert eine Karriere Präsenz; vielleicht in China sogar noch mehr als im Westen. In nahezu allen höheren Positionen kommt es nicht nur auf die funktionale Arbeitsleistung an, sondern zusätzlich auf Beziehungen, Netzwerke, das Kennen von Menschen und die schlichte Anwesenheit an der richtigen Stelle im richtigen Moment.

Das Ausmaß der Präsenz ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Gemeinsame Erlebnisse außerhalb der unmittelbaren Arbeitsumgebung sind Basis jedes Teambuilding-Prozesses. Und ob das nun beim Sport, beim Essen, beim Trinken oder bei anderen Aktivitäten stattfindet: es erfordert Präsenz.

Für Arbeits- und Führungsteams gilt das ganz genauso. Wer häufiger da ist, ist meist auch besser integriert. Dieses Anwesenheitsinvestment wollen und können viele Frauen nicht unbegrenzt leisten, wobei natürlich Mutterpflichten eine große Rolle spielen. Trotzdem ist klar: auch in einer idealen Welt, in der Kinderbetreuung und Haushaltspflichten fair und gleichmäßig zwischen den Eltern verteilt wären, bliebe ein großer Präsenznachteil für Mütter bestehen.

Dass die Väter den dann auch hätten, könnte das relative Kräfteverhältnis ein wenig verbessern, ändert aber am Grundproblem nichts: Wer weniger präsent ist, hat in der Karriereentwicklung Nachteile und das wird sich auch nicht ändern.

Hinzu kommt in Deutschland die in der bürgerlichen Mitte verbreitete Überzeugung, Betreuung durch die eigenen Eltern sei für die Kinder die maximale Lösung und zwar je mehr davon, desto besser. Das sieht man anderswo sehr viel differenzierter.

Viele chinesische Eltern finden es normal und gesund, dass ihre Kinder von Anfang an auch fremden Einflüssen ausgesetzt sind. Selbst für viele hochqualifizierte chinesische Frauen in Deutschland ist das kein Thema, durch das sie ihre beruflichen Möglichkeiten wesentlich beschränkt sehen. Die Liebe drückt sich nach dieser Sichtweise nicht im Maß der aufgebrachten Betreuungszeit aus. Und man hat nicht den Eindruck, dass den Kindern das schlecht bekommt.

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